Haus der elektronischen Künste: Ein Teamgespräch

Auf dem Dreispitzareal tut sich in Sachen Kunst zurzeit so einiges. Wir haben den Ausstellungsraum HeK besucht und herausgefunden, weshalb die Farbe Neonpink die aktuelle Ausstellung von Ryoji Ikeda am besten umschreibt. Alexandra Adler, Marc Schwegler, Lukas Zitzer sowie Direktorin Sabine Himmelsbach standen uns Rede und Antwort.


Marc Schwegler - Musikprogramm

Lieber Marc, wie klingt das HeK?
Das HeK klingt im Idealfall abenteuerlustig, herausfordernd und im besten Sinne gegenwärtig. Im Zentrum stehen neue Praktiken und Experimente bei Komposition und Aufführung von Musik und Klang. Uns interessieren Grenzüberschreitungen und die Ränder von elektronischer Klub- oder Popkultur, akademischer Komposition und Klangkunst. Ein gutes Beispiel dafür ist der Auftritt des Industrial-Pioniers William Bennett, der hier im Mai einerseits ein neues Stück mit dem Ensemble Phoenix aus Basel aufführen wird. Nach dem Konzert spielt Bennett dann andererseits auch als Cut Hands im Rahmen einer Klubnacht dann auch noch ein Live-Set.

Cut Hands - The Claw (von der LP Festival of The Dead, Blackest Ever Black 2014)



Anhand welcher Keiterien wählst du die Musikacts für das HeK aus?
Welchen Musiker würdest du niemals für das HeK buchen?

Mich interessieren Künstler, die jenseits stabiler Kategorien auf der Suche nach neuen Klängen sind; Leute, die herrschende Produktions-, Distributions- und Konsumationsbedingungen von Musik hinterfragen. Unterscheidungen wie die zwischen Underground und Mainstream, zwischen Hoch- und Populärkultur etc. halte ich für nicht sehr relevant. In diesem Sinne gibt es sehr wenig, was ich kategorisch ausschliessen würde.

Was reizt dich an diesem Job am meisten?
Er ermöglicht einem spannende Begegnungen mit Künstler_Innen und damit eine Nähe zu progressivem und innovativem Schaffen und Denken. Er erlaubt mir zudem, in Zusammenarbeit mit meinen Kolleginnen und Kollegen hier am HeK spannenden Fragen in Bezug auf Medien, Technologie, Kultur und Kunst nachzuspüren. Und schliesslich ist das HeK als neues Haus ein wunderbares und vielfältiges Experimentierfeld für neue Formate und Inhalte.

Beschreibe die HeK Partygänger in 3 Adjektiven.
Im Idealfall: offen, neugierig und kritisch.


Alexandra Adler - Kuratorische Assistenz

Liebe Alex, was fasziniert dich am Job als Kuratorin im HeK?
Dadurch, dass das HeK interdisziplinär ausgerichtet ist, habe ich einen sehr abwechslungsreichen Job. Unser Interesse beschränkt sich nicht auf eine bestimmte künstlerische Ausdrucksweise, so dass ich immer wieder auf ganz unterschiedliche Arbeiten und Künstler stosse, die mich faszinieren und die meine eigene Sichtweise auf unsere Gesellschaft und auch auf meinen eigenen Alltag beeinflussen. Es macht Spass, sich von künstlerischen kreativen Einfällen überraschen zu lassen, die aktiv den Einfluss von technischen Innovationen auf Kultur und Gesellschaft reflektieren und ästhetisch erfahrbar machen.


Von dieser inhaltlichen Ebene abgesehen, ist diese Abwechslung auch in den organisatorischen Aufgaben spürbar, die immer wieder neue Herausforderungen mit sich bringen, sei es bei der Organisation einer Ausstellung, eines Filmabends, des jährlich stattfindenden Festivals Oslo Night oder einer mehr wissenschaftlich angelegten Veranstaltung.
Durch die Überschneidung von verschiedenen Formaten, aber auch durch die kontinuierlichen Diskussionen über die Inhalte und Ausrichtung des HeK, arbeiten wir im Team eng zusammen, was Spass macht und bereichernd ist.


Was hast du davor gemacht?
Ich habe Angewandte Kulturwissenschaften in Lüneburg studiert und mich dabei vor allem auf zeitgenössische Kunst, aber auch auf Filmwissenschaften, Philosophie und Literaturwissenschaften konzentriert. Während des Studiums habe ich bei einer Urban Art Woche u.a. die Künstlerbetreuung übernommen und wollte seitdem im Kunstbereich bleiben. So ganz festgelegt habe ich mich dann aber noch nicht, habe neben einem Praktikum in einer Galerie, ein weiteres bei ARTE GEIE gemacht und war längere Zeit auch Teil eines wissenschaftlichen Projektes an meiner Universität. Nach meinem Studium war mir aber klar, dass ich versuchen wollte, im Kunstbereich Fuss zu fassen. Auch im zeitgenössischen Kunstfeld überschneiden sich die Themenbereiche, die mich neben und im Studium begeistert haben - hier kann man sich mit unterschiedlichen theoretischen, inhaltlichen, ästhetischen Fragestellungen auseinandersetzen. Nach einem Praktikum in der Kunsthalle Basel, habe ich dann im HeK angefangen.


Wo in Basel treibst du dich in Sachen Kunst privat gerne rum?
Basel ist für mich eine interessante Stadt, was das Angebot an Kunstausstellungen betrifft. Eigentlich ist die Stadt eher klein, aber es gibt eine so grosse Menge an Museen und die Stadt verändert sich einmal im Jahr zur Art komplett zu einem Treffpunkt für alle, die sich mit Kunst beschäftigen. Natürlich gehe ich gerne zu den Ausstellungen in der Kunsthalle, einerseits, weil ich dort gearbeitet habe, aber auch weil man hier immer neue internationale Künstlerpositionen entdecken kann. Ich besuche auch sehr gerne die Wechselausstellungen im Museum Tinguely, sie sind technisch sehr toll gemacht und hier sind oft Arbeiten von Künstlern ausgestellt, die ich immer schon mal sehen wollte.
Neben diesen und anderen Museen in Basel, sind die Ausstellungen in kleineren Projekträumen für mich spannend, wie in der Schwarzwaldallee, wo man junge, meist lokale Künstler sehen kann.



Was macht die Ausstellungen im HeK unverwechselbar und einzigartig?
Die Ausstellungen im HeK haben eine andere Ausrichtung, als alle anderen Institutionen in Basel. Wir zeigen in unseren Ausstellungen Arbeiten, die sich mit unserer heutigen Informationsgesellschaft beschäftigen. Dabei geht es nicht primär um eine Selbstreflexion des Kunstmarkts und -Feldes, sondern vor allem um die Beschäftigung mit unserer heutigen Gesellschaft und dem Hinterfragen von den Auswirkungen neuer Medien auf unser Leben, auf unsere Wahrnehmung und auf unser Miteinander.
Diese Auswirkungen werden dabei nicht nur einseitig negativ oder positiv gesehen, sondern zeigen oft die Ambivalenz der neuen Informationstechnologien. Das ist meiner Meinung nach spannend für ein breites Publikum, denn wir erleben ja alltäglich, wie wichtig uns die neuen Medien und Technologien sind - ob wir sie fürchten oder schätzen. Durch diese Zugänglichkeit der Themen ist es bei uns im HeK aber auch möglich, experimentellere und gewagte Formate zu zeigen und neugierig zu machen auf unkonventionelle Herangehensweisen.




Wo siehst du Optimierungsbedarf?
Erst vor wenigen Monaten haben wir unser neues Haus mit Ausstellungen und Veranstaltungen eröffnet. Natürlich haben wir insofern einen Optimierungsbedarf an Erfahrungen - Erfahrungen mit dem Potenzial der Räume für verschieden ausgerichtete Ausstellungen - Erfahrungen mit der Anzahl und dem Format der Ausstellungen - und Erfahrungen mit dem Publikum, dass unseren Ort ja auch neu entdeckt. Nach unserer ersten Einzelausstellung mit Ryoji Ikeda werden weitere in diesem Jahr folgen - sei es einen grössere Gruppenausstellung, eine kleinere unkonventionellere Ausstellung mit Workshops und Talks oder die Regionale am Ende des Jahres, so dass wir unsere Möglichkeiten ständig weiter erproben können.

Was war bisher deine Lieblingsausstellung im HeK und weshalb? Beschreibe diese mit einer passenden Farbe sowie einem Song.
Da wir im November unser neues Haus eröffnet haben und vorher viel für diese Neuausrichtung gearbeitet haben, ist für mich meine Lieblingsausstellung die Einzelausstellung mit Ryoji Ikeda, die noch bis Ende März läuft. Sie ist meiner Meinung nach nicht nur inhaltlich eine spannende Auseinandersetzung mit den Themen unseres Hauses, sondern bezieht auch die neuen Räume mit in ihre Komposition ein. Das Eintauchen in riesige Datenmengen und das Spüren von körperlichen Grenzen der Wahrnehmung sind Erfahrungen, die mich bei dieser Ausstellung und bei dem japanischen Künstler faszinieren.


Obwohl Ikeda minimalistisch mit Farben umgeht, eigentlich nur Muster aus Schwarz und Weiss zeigt, würde ich ein knalliges Neonpink als Beschreibung dieser Ausstellung wählen. Erstens weil es bei den Arbeiten dieses Künstlers nicht möglich ist, sich auf etwas anderes zu konzentrieren, als auf die Wahrnehmung der von ihm geschaffenen Töne und Bilder; zweitens, weil ich mit dieser Ausstellung den ganzen Eröffnungstrubel verbinde, der eher pink als schwarz-weiss war. Dazu passend ein Stück von Ikeda mit einem Video von Daniel Franke, dass wir auch an einem Filmabend im Januar gezeigt haben:



Lukas Zitzer - Presse und Öffentlichkeitsarbeit

Lieber Lukas, wenn das HeK ein essbares 3-Gänge Menü wäre, woraus bestünde dies?
Vorspeise: Ein Ziegenkäse-Sandwich mit Cranberry-Pinienpesto und Honig vom Café Frank, während man mit Christina Kubischs Electrical Walks Basel Kopfhörern über das Dreispitz spaziert.

Hauptgang: Japanischer Kirschlachs mit gesalzenem Kirschblatt, gefüllt in frisches Kirschholz, Erbsencreme mit Kirschsteinen und gedünsteten Erbsen, beklangtes Kirschrindensalz, Sauce aus eingemachten Sauerkirschen, geeiste Radieschen und dazu die Musik von Ryoji Ikedas Album supercodex.

Dessert: Ein Cailler Branchle und ein Bier am Danse Noire an der Oslo Night.


Digital vs. Analog - wie stehst du persönlich zu den beiden Gegensätzen im Zusammenhang mit Kunst?
Persönlich habe ich eine Affinität für analoge Synthesizer und frühe elektronische Musik der 60er und 70er Jahre. Ich bin aber genauso an aktuellen Entwicklungen im Bereich der digitalen Kultur und Kunst interessiert. Im HeK beschränken wir uns nicht auf digitale Kunst. Gerade die Schnittstellen und Verknüpfungen der digitalen und anlogen Welt sind es die mich interessieren.


Wie bist zu zum HeK gekommen und welches war bisher deine schönste Erfahrung? Was hast du davor gemacht?
Ich habe bereits vor einigen Jahren in den Vorgängerinstitutionen plug.in und Shift mitgearbeitet und verschiedene Praktika in der Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit gemacht. Nach einem längeren Aufenthalt in Südafrika, wo ich bei der Schweizer Kulturstiftung Pro Helvetia gearbeitet habe und einem Studium der Medien-, Kultur- und Kommunikationswissenschaft, habe ich mich nach dem Master beim HeK für die Stelle in der Kommunikation beworben.

Die schönste Erfahrung war die Neueröffnung unseres neuen Gebäudes im letzten Jahr, als sich das Resultat der vielen Stunden Arbeit in einem grossen Fest manifestiert hat, bei dem fast 3500 Menschen erschienen sind. Die Neueröffnung war für die Kommunikation eine grosse Aufgabe: Das Logo und das Corporate Design, die Webseite, die Datenbank, die Pressearbeit, die Signaletik, die Printprodukte, die internen Abläufe und vieles mehr musste neu gedacht und konzipiert werden. Manchmal merkt man nicht welche Auswirkungen die eigene Arbeit hat, aber wenn so viele Menschen ins Haus strömen und Presse aus der ganzen Welt sich für unsere Institution interessiert, realisiert man wofür man arbeitet.


Ergänze den Satz: Wie wär's mal mit...
Gemütlichkeit? Spass beiseite: Wie wärs mal mit unserem neuen Format „Bits and Bites“? Jeden ersten Donnerstag im Monat veranstalten wir eine dialogische Führung mit anschliessender Verköstigung im FRANK. Das erste Mal findet am 04. Juni um 18.30 Uhr statt im Rahmen der Ausstellung „Poetics and Politics of Data“.


Sabine Himmelsbach - Direktorin

Wenn Sie das HeK in nur 3 Wörtern beschreiben müssten, welche wären dies?
Das HeK ist mit seinem Programm neuen Entwicklungen an der Schnittstelle von Kunst, Technologie und Medien verpflichtet und in diesem Sinn interdisziplinär, experimentell und zeitgemäss.

Welche Vorteile bringt der neue Standort auf dem Dreispitzareal?
Seit unserem Umzug in das neue Gebäude am Freilager-Platz hat sich für uns viel verändert. Wir haben im neuen Haus eine viel bessere Infrastruktur und weitaus bessere Präsentations- und Veranstaltungsmöglichkeiten mit einer Wechselausstellungsfläche, einem Raum für Vermittlung und einem multifunktionalen Veranstaltungsraum. Dies entspricht auch unserem Anspruch, uns als Ort für Diskurs über aktuelle gesellschaftliche Themen und Entwicklungen und deren Reflexion durch die zeitgenössische Kunst zu etablieren. Auch unsere zentrale Lage am Freilager-Platz gleich gegenüber der neuen Tramhaltestelle ist ideal. Mit der Hochschule für Gestaltung und Kunst HGK FHNW als Nachbar kam es zu einer deutlichen Belebung des Quartiers und täglich finden weitere Veränderungen statt. Es gibt ein grosses Potential für Kooperationen und generell herrscht reges Interesse an einer nachbarschaftlichen Zusammenarbeit aller Kulturakteure auf dem Areal. Mit dem Café FRANK im eigenen Haus sind wir einer der zentralen Orte im Quartier geworden, an denen ein vielfältiges Kulturprogramm geboten wird und auch ein sozialer Austausch stattfinden kann.


Was war in Ihrer Karriere als HeK Direktorin bisher der persönlich emotionalste Moment?
Der emotionalste Moment war für mich in meiner Zeit am HeK sicher die Neueröffnung am 21. November im letzten Jahr. Seit ich im März 2012 die Leitung des HeK übernommen hatte, damals noch in den alten Räumen an der Oslostrasse, stand immer dieses Versprechen des neuen Ortes im Raum und den Möglichkeiten, die sich für uns dadurch auftun - ich habe es ja bereits erwähnt. Nach diesen Jahren des Übergangs war es ein grossartiger und überwältigender Moment, das neue Haus endlich für das Publikum öffnen zu können.

Weshalb würden Sie unserer Leserschaft einen Besuch im HeK wärmstens empfehlen?
Weil man beim Betrachten und Erleben von Kunst auch immer einen neuen Blick auf die Welt erhält. Wir zeigen Kunst, die sich mit den Veränderungen unserer Lebenswelt durch die Informationstechnologien auseinandersetzt. Wir zeigen Kunst, die Medien nutzt und einsetzt, ihre radikalen Auswirkungen auf die Gesellschaft und unser Leben reflektiert und Kunst, die oft auch Interaktionsmöglichkeiten für den Betrachter bereit hält. Das schliesst auch neue Wahrnehmungsmöglichkeiten mit ein, wenn beispielsweise beim "Electrical Walk" von Christina Kubisch mittels speziell von ihr entwickelter Kopfhörer Strom hörbar wird. Bei diesen elektromagnetischen Spaziergängen eröffnet sich dem Besucher eine neue akustische Dimension der Stadt Basel!



Wem der Name Ryoji Ikeda noch fremd ist, sollte dem HeK unbedingt einen Besuch abstatten. Wir bedanken uns bei Alexandra, Lukas, Marc und Sabine dafür, dass sie sich die Zeit genommen haben unsere Fragen zu beantworten und euch einen Einblick sowohl in ihre Arbeit als auch in ihre persönlichen Interessen gegeben haben.


_
von Ana Brankovic
am 23.03.2015

Teamfotos
© Oliver Hochstrasser für Wie wär's mal mit

Pressefotos
© HeK

Wer die Teambilder weiterverwenden möchte, muss sich die Rechte bei Wie wär's mal mit einholen.

Über uns ︎

Menschen
Alltag
Kultur
Schweiz

Impressum

Wie wär’s mal mit
c/o Ana Brankovic
Giessliweg 81
4057 Basel
Schweiz
wiewaersmalmit@gmail.com

Unterstützen ︎

Vereinskonto
CH50 0029 2292 1353 60M1 L