Colab Gallery: Daniel Künzler und Rudi Anker im Gespräch

Basel ist nah am Wasser gebaut. Weil am Rhein ebenfalls. Radelt man dem Rheinufer entlang flussabwärts gelangt man schon bald zum Dreiländereck. Wie wär's mal mit ungeniert über die Grenze gehen? Unweit davon lädt nämlich in Weil am Rhein die Colab Gallery samt Carhartt Outlet zum Verweilen ein. Wir sprachen mit Daniel Künzler und Rudi Anker über ihren Alltag, Kunst und das Recht des Stärkeren.


Lieber Daniel, lieber Rudi, wer seid ihr und was macht ihr so im Leben?
Dan: Ich komme aus dem Vorarlberg in Österreich und habe mich nach meinem Studium in Italien für einen Job bei Colab Gallery (damals Carhartt Gallery) beworben. Seitdem bin ich im Dreiländereck anzutreffen. Die Kunst motiviert mich jeden Morgen aufzustehen. Ich hasse das Rheincenter vor allem Marktkauf – Weil Amazing Rhein!
Rudi: Ich bin in der Kirgisischen Republik geboren. Meine Kindheit habe ich in Leipzig und meine Jugend in Süddeutschland verbracht. Ich mag keine starre Politischen Systeme – „the only good system is a sound system“.



Gemeinsam arbeitet ihr in der Colab Gallery in Weil am Rhein. Was ist die Colab Gallery?
Dan: Die Colab Gallery ist eine „Primärmarkt- & Informations-Galerie“ für urbane zeitgenössische Kunst. Man kann hier die Entwicklungen der genannten Kunstform in Echtzeit mitverfolgen.
Die Galerie soll informieren und Leute zusammenbringen. Es gibt neben Side-Events zwei große Gruppenausstellungen pro Jahr, dabei ist uns der Austausch zwischen den Teilnehmern besonders wichtig.
Durch die Kombination und Kollaboration mit dem Carhartt Outlet ist es möglich, die relativ neue Kunstrichtung ohne kommerzielle Aussonderung der breiten Öffentlichkeit zugänglich und erlebbar zu machen. Meine Hauptaufgabe liegt in der Dokumentation und in der visuellen Kommunikation. Aber auch hier, wie bei einer Kollaboration, bringt jeder aus dem Team seine Spezialgebiete mit und wir unterstützen uns gegenseitig.
Rudi: Meine Aufgabe ist es den Künstlern einen kreativen Freiraum für bestmögliche Produktion und Präsentation zu schaffen.



Wie sieht ein normaler Alltag in der Colab Gallery aus?
Rudi: Wir geben und größte Mühe den Besuchern mit den nötigen Informationen die Exponate näher zu bringen und einen Zugang zur „Urbanen Kunst“ zu ermöglichen. Dabei ist uns eine respektvolle Sichtweise und Wertschätzung dieser Kultur sehr wichtig.
Dan: Der Austausch mit unseren Besuchern und die tägliche Kundenpflege ist uns wichtig. Wir freuen uns über jeden Besuch und haben viele Stammkunden, durch das Outlet aber auch immer wieder neue Interessenten. Das Hauptgeschehen konzentriert sich auf das Wochenende. Die „Umbaupause“ ist für mich die hektischste aber auch die spannendste Zeit. Zwischen den zwei großen Gruppenausstellungen schließen wir einen Monat, um jeweils die aktuelle Ausstellung abzubauen und die bevorstehende möglichst gut vorzubereiten. In der letzten Woche vor der Vernissage sind dann auch die Künstler persönlich vor Ort. Ich genieße es mit verrückten Persönlichkeiten zusammen zu arbeiten. Des Weiteren folgt „Nach der Show ist vor der Show“, Side-Events sowie Spezialaufträge vom Chef seitens Carhartt.





Colab – wofür steht der Name?
Colab, eine Abwandlung des Kunstwortes “Collaboratorium“ ist ein Kunstfreiraum für eine internationale und grenzübergreifende Zusammenarbeit.
Früher waren Kollaborateure Menschen, welche mit dem Feind zusammengearbeitet haben. Aber wer entscheidet wer ein Feind ist; der Staat, die Polizei, deine Nachbarn?
Da wir auch mit dem Feind (Sprayer) zusammenarbeiten, finden wir diese Parallele sehr interessant und hoffen es bricht diesen veralteten negativen Beigeschmack einer Kollaboration.
Manchmal aber auch fühlen wir uns wie in einem experimentellen Labor, weil die Künstler mit denen wir zusammen arbeiten uns mit außergewöhnlichen Ideen überraschen.
Ähnlich wie in einem Labor entsteht dann ein Mix aus verschiedenen Elementen. Eine verrückte Idee von Seiten der Künstler braucht beispielsweise eine Fachkraft mit technischem Wissen und wir connecten – so kann sich der Künstler ausleben und mit bestem Ergebnis und vor Ort Ideen umsetzen und präsentieren.
(colaborar – ital. Zusammenarbeiten, lab – Kurzversion Labor)



Lustigstes Ereignis, das ihr in der Colab Gallery erlebt habt?
Rudi: Ein Künstler hat mal ein Wandbild mit Motiven aus der Tattoo Geschichte gemalt unter anderem ein Totenkopf mit Flügel. Eines Tages standen auf einmal so 15-20 massive Jungs mit vielen Tattoos und Lederwesten in der Galerie und haben mich höflich aber bestimmt überredet dieses Kunstwerk zu übermalen. Da ich mit Künstlerfreiheit und dem Recht zur freien Meinungsäußerung an eine massive Muskelwand gelaufen bin, musste ich diese Zensur ohne Diskussion (über das Recht des Stärkeren) ausführen.
Dan: Kommt mal zu einer Vernissage, immer ein lustiges Erlebnis!



Was macht ihr nebst der Arbeit in der Colab Gallery?
Rudi: Ich besuch gerne in meiner Freizeit von der Gesellschaft verlassene und runtergekommene Gebäude oder Regionen, um den kreativen Prozess persönlich zu erleben. Gerne verlasse ich auch mal den urbanen Raum, um in der Natur dem geometrischen Konsumismus zu entfliehen, sowie zum Wildkräuter sammeln, essen und rauchen.
Dan: Ich jobbe zusätzlich im Kunstmuseum Basel und bin selber als Künstler aktiv. Ich habe zwei bis fünf Ausstellungen im Jahr und arbeite am liebsten in einer Gruppe mit Freunden an visuellen und konzeptionellen Projekten. Meine Ideen folgen meist aus Abenteuern und Reisen, die ich mit Freunden erleben darf.



Weil am Rhein ist nah am Wasser gebaut, genauso wie Basel. Was ist eure Verbindung zu Basel und der Schweiz?
Dan: Ich habe anfangs in Weil am Rhein gewohnt und bin dann nach ein paar Monaten nach Basel gezogen, wo sich abseits der Arbeit mein Lebensmittelpunkt und Freundeskreis befindet. Es ist ein Traum, dass Basel zwar eine kleine Stadt ist, aber enorm viel kulturelles Angebot zu bieten hat. Ich brauche die Stadt um mich herum. Es gibt immer was zu tun.


Gibt es in Basel etwas Vergleichbares wie die Colab Gallery?
Dan: Etwas vergleichbares wie die Colab Gallery ist mir weltweit nicht bekannt. Es gibt in Basel das Artstübli und in Städten wie Paris, Hamburg, München, Zürich usw. kleinere Galerien, die sich auf Urban Art konzentrieren.
Die Fotografie hat über 100 Jahre gebraucht, um als Kunstform akzeptiert zu werden, man kann sich vorstellen wie lange es dauern kann bis auch „Urban Art“ in den Museen ankommt und konsequent gesammelt wird. Am liebsten bewege ich mich um Projekträume und Ateliers von Freunden. Open Store, Galerie Idea Fixa, Freymond Guth, Weiss Falk, Nicolas Krupp, Galerie / Projektraum M54, Klingenthal (Mittwochsbar).
Wir sind in Basel und Umland sehr verwöhnt mit den ganzen großen Häusern.
Es sind konzeptuelle Video- und Installationskunst und meist witzige Arbeiten, die mich zum Schmunzeln und gleichzeitig zum Nachdenken bringen.
Kunstschaffende in meinem Umfeld und in der Colab Gallery sowie „Big Names“ aus den Museen wie Roman Signer, Bas Jan Ader, Kendell Geers, Andy Goldsworthy, Eric Hattan, Abaslon und weitere inspirieren mich.



Wenn Colab Gallery ein Song wäre, welcher wäre es und weshalb?
Wir lieben es neue Wege zu gehen und wiederholen uns ungern.
Paul Bernhard – Ausbrechen




Wenn Colab essbar wäre, wie würde es schmecken?
International-kulinarischer Mix – sehr schmackhaft, aber nicht zu süß, weil alles sehr frisch und jung ist. En Guete!

Wie wär’s mal mit…
...den eigenen Horizon erweitern und Basel nicht auf die üblichen Räume zu reduzieren sowie Kunst selber machen, anstatt nur zu konsumieren und kritisieren.



Wandmalereien waren die ersten menschlichen Versuche etwas für die Nachwelt festzuhalten, weshalb sie heute nicht auch in neuen Formen als wertvoll anerkennen? Wir danken Daniel und Rudi für die Einblicke in ihren kunterbunten Alltag in der Colab Gallery und freuen uns schon auf die nächste Vernissage.


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von Ana Brankovic
am 11.09.2017

Fotos via Daniel Künzler (Colab Gallery)

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