Curated: Im Gespräch mit Samuel Seemann

Manchmal braucht es einen Perspektivenwechsel um im gewohnten Alltag das Besondere zu entdecken. Der in Zürich lebende Ostschweizer Samuel Wolfgang Seemann gewinnt Distanz in Athen und erschafft mit seinem Partner Deny Ammann Überblick und Aktualität in der Kunst. Curated ist ein Kunst-Assistent für global und hyperlokale Kunstnews in Echzeit. Wir sprachen mit dem Co-Entwickler über Kunst, Basel und über Sterling Kruger.


Lieber Sam, wer bist du und mit was füllst du dein Leben?
Ich wohne seit 2008 in Zürich und fülle meinen Tag hauptsächlich mit dem Konzipieren und Umsetzen von Websites, Web-Apps und digitalen Prototypen – und mit Kunst.
Ich bin ziemlich rastlos und möchte immer Neues lernen. In der Kunst sehe ich einen Ausgleich und Ergänzung. Ich lerne Neues, kann mich aber gleichzeitig vom Alltag abkapseln.


Wie war deine Zeit in Athen und was waren Beweggründe für diesen temporären Ortswechsel?
Nachdem ich mich entschlossen hatte meinen Job als Berater in der Werbung zu kündigen und mich selbstständig zu machen, offenbarte sich die Option für drei Monate gemeinsam mit
Amanda, Nonda, Jolly und Lucia in Exarchia, dem anarchischen Herzen von Athen zu leben. Das war eine tolle Zeit mit wundervoll inspirierenden Menschen. Dort habe ich dann das MVP (Minimum Viable Product) von Curated fertiggestellt. Mittlerweile ist Curated für die ganze Schweiz, Athen und weitere Städte wie Berlin, Paris, London, New York und Los Angeles verfügbar.




Kannst du uns mehr zu «Curated» erzählen?
Mein Partner Deny und ich haben noch vor meinem Athen-Aufenthalt angefangen an Curated zu arbeiten. Wir haben begonnen (möglichst) alle Kunstinstitutionen – also Offspaces, Galerien und Museen – auf der Welt zu indizieren und geo-basiert aufzubereiten. Curated ist gleichzeitig eine Community in Form einer Website, Instagram Feed und Facebook Chat-Bot. Mit Curated kann man Kunstnews von mehr als 25 Publishern lesen kann und gleichzeitig GPS-basiert Institutionen auf der ganzen Welt finden und sich erkundigen was dort stattfindet. Die Idee von Curated ist mit digitalen Mitteln die soziale und kulturelle Relevanz von Kunstinstitutionen zu fördern. Die Öffentlichkeitsarbeit für Kunstinstitutionen gestaltet sich je länger desto schwieriger. Wer keine grossen monetären Mittel (für Werbung) zur Verfügung hat, wird über den harten Kern hinaus nicht gehört. Curated soll hier Abhilfe schaffen und das globale und hyperlokale Kunstgeschehen in Echtzeit an das Publikum bringen.



Was hat Basel für eine Bedeutung für «Curated» und umgekehrt?
Basel besitzt eine extreme Dichte an Kunstinstitutionen mit einem abwechslungsreichen Programm und ist nicht zuletzt wegen der unzähligen Museen, der Mäzene, Art Basel und der LISTE Art Fair ein sehr wichtiger Kunststandort. Wusstet ihr, dass es in Basel 40 Museen und je etwa 30 Galerien und Offspaces gibt? Wir starten demnächst mit der Private Beta für Curated, wo Institutionen direkt über die Plattform Events und News veröffentlichen können. Wir würden uns natürlich sehr darüber freuen auch mit Basler Institutionen zusammenarbeiten zu dürfen.

Was sind deine Lieblingsorte in Basel?
Mein Lieblingsort ist in der Feldbergstrasse 89 – ISBILIR. Basel liebe ich für die Kunst und diesen Döner!



Wenn du dir ein Werk als Geschenk aussuchen könntest, welches wäre dieses und weshalb?
Ich würde mir Erwin Wurm's 'Curry Bus' aussuchen. So könnte ich wortwörtlich mit der Kunst leben und selbstgemachtes Bibimbap als Take-Away verkaufen, falls ich einmal knapp bei Kasse sein sollte.

Du bist Gastgeber und darfst sechs Künstler – auch verstorbene – zum Abendmahl einladen, wer würde eine Einladungskarte erhalten und weshalb?
Diego Velázquez, Marcel Duchamp, Joseph Beuys, Frida Khalo, Jenny Holzer und Sterling Ruby. Weil ich gespannt wäre auf eine Gesprächsrunde darüber, warum Marcel Duchamp's Schweigen überbewertet ist oder ob für Velázquez die Energieeffizienz von Jenny Holzer's Installationen eine Rolle spielt. Sterling Ruby würde dann Frida Kahlo an Raf Simons vermitteln, was für eine wunderbare Kollektion!


Und was stünde auf dem Menu und welche Musik liefe im Hintergrund, wie wäre das ganze Setting im Allgemeinen?
Weil James Turrell dann gerade eine Ausstellung für das MoMA PS1 vorbereitet, hat er uns netterweise seinen Roden Crater zur Verfügung gestellt. Da darf es nicht zu fettig zu und her gehen, denn das Abzugssystem ist noch nicht fertig ausgebaut. Deshalb interpretiert Nobuyuki Matsuhisa Gerichte zum Live-Jam von BadBadNotGood.

Welche Ausstellung/Museum hat dir am meisten imponiert?
Oh, da gibt es einige, aber wenn ich mich auf jüngere Ausstellungen und Orte die ich besucht habe festlegen müsste, dann wäre es das Louisiana Museum in der Nähe von Kopenhagen, die Sammlung Boros in Berlin, die Ausstellung von Sterling Ruby im Belvedere Museum Wien und vor kurzem Tomás Saraceno im Haus Konstruktiv Zürich.



Nebst Curated gibt es noch das Projekt Sterling Kruger,
kannst du uns dazu noch was sagen?

Sterling Kruger ist ein Experiment. Hauptsächlich ist es ein Instagram-Account welcher jeweils zwei Künstler, die ähnliche Materialien, Überlegungen oder Aussagen teilen einander gegenüberstellt. Dazu gehören aber auch reale Interventionen wie beispielsweise unser erster Release: Wir haben Champion- und Hanes-Sweater mit Namen von Museen bedruckt. Es geht darum Perspektiven zu verschieben – herauszufinden, ob ein Museum das nächste Supreme sein kann. Das kam sehr gut an und wir haben sogar erste Kollaborationsgespräche. Die nächste Intervention steht schon an und befasst sich mit längst verstorbenen Grössen der Malerei. Wir verbinden den White Cube mit einer DIY-Kultur und versuchen so das Interesse an Kunst auch in einer jüngeren Generation zu wecken.

Wie wär's mal mit…?
...tief einatmen, ausatmen, den Moment geniessen und weitermachen.



Wir danken Sam für das inspirierende Gespräch und dafür, dass er uns einmal mehr aufzeigt, dass eine kleine Auszeit oder ein Tapetenwechsel keinen Stillstand auslöst, sondern uns lehrt aus bereits Vorhandenem etwas Einzigartiges und Kreatives zu schaffen.


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von Derya Cukadar
am 02.10.2017

Fotos
© Samuel Wolfgang Seemann

Wer die Bilder weiterverwenden möchte, muss sich die Rechte bei Samuel Seemann einholen.
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