Fondation Beyeler: Im Gespräch mit Assistenzkuratorin Rahel Schrohe
Die Fondation Beyeler ist mit ihren hochkarätigen Ausstellungen und der eigenen Sammlung an Werken der modernen und zeitgenössischen Kunst nicht nur das beliebteste Kunstmuseum der Schweiz, sondern auch ein Ort voller Möglichkeiten. Wir sprachen mit Assistenzkuratorin Rahel Schrohe unter anderem über ihren Alltag im Museum, Frauen in der Kunst, die Ausstellung «Rudolf Stingel» und den kunsthistorischen Kanon. Was sie uns wohl Spannendes zu erzählen hat?
Liebe Rahel, beschreibe dich in einem Satz.
Meine Schwester sagt immer, ich sei zu ernst, dabei halte ich mich für total kindisch.
Wie kamst du zur Fondation Beyeler und was ist hier deine Rolle?
Ich habe in Berlin Kunst- und Bildgeschichte studiert mit einem Schwerpunkt auf zeitgenössischer Kunst und Bildwissenschaft, meinen Master 2015 mit einer Arbeit über die Bilder des Hubble Space Telescope abgeschlossen und mich anschliessend auf Jobs beworben. Meine erste Bewerbung ging nach Basel – und hat unerwarteterweise direkt geklappt.
Die ersten zweieinhalb Jahre habe ich für die Senior Curator Theodora Vischer gearbeitet, erst als kuratorische Assistentin im Volontariat und dann als Assistenzkuratorin. Ich war an tollen Ausstellungsprojekten beteiligt: Alexander Calder & Fischli/Weiss, Roni Horn, Wolfgang Tillmans und Tino Sehgal. Später wurde ich dann gefragt, ob ich die Projektleitung der Stingel-Ausstellung übernehmen möchte. Ich hatte eigentlich geplant, mich intensiver mit meiner Doktorarbeit zu beschäftigen, aber das war so ein tolles Angebot, das ich nicht hätte ablehnen können.
Du hast die Rudolf Stingel Ausstellung in Zusammenarbeit mit Udo Kittelmann und Rudolf Stingel mitkuratiert und begleitet. Was bedeutet es eigentlich Kuratorin zu sein?
Das ist immer etwas unterschiedlich und von Institution zu Institution verschieden. In meinem Fall war es so: Nachdem der Künstler Rudolf Stingel und Gastkurator Udo Kittelmann vor etwas über einem Jahr die ungefähre Werkauswahl und Anordnung innerhalb der Räume bestimmt hatten, habe ich die Projektleitung für die kuratorische Umsetzung übernommen. Das umfasst viele kleine und grosse Schritte und richtet sich nach innen wie auch nach aussen. Im Groben also: Vor Ort im Museum die internen Abläufe mit den einzelnen beteiligten Abteilungen koordinieren, diskutieren, prüfen, die wichtigsten Punkte in regelmässigen Abständen mit unserem Direktor Sam Keller, mit dem Gastkurator und dem Künstler und insbesondere mit seinen beiden Studios (in Meran und in New York) besprechen. Und dann das Ganze wieder zurückspielen und schauen, dass alle Infos die richtigen Personen erreichen und dann umgesetzt werden.
Jeder Tag ist anders: Absprachen mit meinem Projektteam, Treffen und Telefonate mit dem Gastkurator, dem Künstler und seinen MitarbeiterInnen, Leihgesuche, Presse- und Saaltexte schreiben, Bilder für verschiedene Verwendungszwecke bestimmen, Bildlegenden und Übersetzungen kontrollieren, und natürlich auch: Widerstände aushalten, mit Hierarchien klarkommen. Wenn die Ausstellung dann läuft: Einführungen für die Mitarbeitenden geben, Führungen für die Presse und VIPs, bei den Begleitveranstaltungen dabei sein, ein offenes Ohr für die BesucherbetreuerInnen haben, das Künstlerstudio und den Gastkurator in regelmässigen Abständen updaten.
Es bedeutet, dass man präzise kunsthistorische Arbeit leisten und gleichzeitig eine empathische Mediatorin sein muss. Man muss den Überblick behalten und darf dabei kein einziges Detail aus den Augen verlieren. Und wenn dann doch mal ein Fehler passiert: nicht verzweifeln.
Beschreibe die Rudolf Stingel Ausstellung in deinen 3 treffenden Worten.
Orange und silbern.
Wenn man die Kunst von Rudolf Stingel essen könnte, wie würde diese schmecken oder was wäre es?
Ich denke an Millefeuille und Martini.
Welches ist dein persönliches Lieblingswerk in der Rudolf Stingel Ausstellung und weshalb?
Das ist wahrscheinlich die Serie von fünf neuen abstrakten Werken, die nach dem in Stingels Künstlerbuch «Instructions» beschriebenen Prozess gemalt wurde. Sie bilden – auch architektonisch betrachtet – das Herzstück der Ausstellung und markieren das ganz Spezifische in Stingels Malerei. Sie sind beides: figurativ und abstrakt und verbinden dadurch die beiden Pole des Oeuvres in sich.
Rudolf Stingel mag es seine Werke «Untitled» zu benennen. Weisst du weshalb?
Natürlich ist Stingel ein Maler – aber gleichzeitig arbeitet er sehr konzeptuell. Die Entscheidung, seine Werke als Untitled zu bezeichnen, geht vermutlich darauf zurück. Im ganzen Werk zeigt sich diese Haltung: Der Künstler gibt die Rahmenbedingungen vor und bindet dann aber den Zufall ein bzw. zieht sich aus den weiteren Prozessen zurück. Nur logisch also, dass er auch durch den jeweiligen Werktitel keine einengende Vorgabe machen möchte.
Weshalb sollte man unbedingt das Café Bey besuchen?
Tina Buchen wählt den schönsten Schmuck aus. Und die Einrichtung ist super!
Was waren für dich bisher persönlich ganz besondere Momente als Assistenzkuratorin in der Fondation Beyeler?
Eigentlich gibt es jeden Tag kleine Highlights – meine Kolleginnen und Kollegen bringen mich zum Lachen und zum Nachdenken, beides ist grossartig. Und natürlich kann man sich kaum einen schöneren Arbeitsplatz als diesen vorstellen. Allein die Bäume im Park, auf die ich von meinem Bürofenster aus schaue, machen mich ausnahmslos immer glücklich.
Sammlung Beyeler: Welche drei SammlungskünstlerInnen oder Werke sind deine persönlichen Favoriten und weshalb?
Die Glasskulpturen «Opposites of White» (2006-7) von Roni Horn, die «Water Lilies» (2012) von Philippe Parreno und Claude Monets «Le bassin aux nymphéas» (ca. 1917-20) – weil sie so einzigartig mit Renzo Pianos Architektur funktionieren und die Natur auf so kluge Weise in sich aufnehmen und potenzieren. Und natürlich wegen ihrer Schönheit und der Klarheit der Form.
«Ah, du arbeitest in einem Kunstmuseum, dann machst du also selber Kunst?» Kennst du das? Wie würdest du den Museumsbetrieb der Fondation Beyeler jemandem erklären, der keine Ahnung hat, wer da alles arbeitet und was die Aufgaben und Arbeitsbereiche sind.
Kenne ich sehr gut. Der Museumsbetrieb der Fondation Beyeler ist extrem professionalisiert und bis in die kleinsten Bereiche aufgeteilt. Wenn man das Museum besucht, trifft man nur einen Bruchteil der Mitarbeitenden, diejenigen mit direktem Kundenkontakt: Die KollegInnen von der Besucherbetreuung und vom Restaurant, vom Art Shop und vom Führungsteam.
In den verschiedenen Büros sitzen mehr oder weniger unbemerkt die einzelnen Abteilungen: Es gibt den Direktor und die kaufmännische Direktorin (und ihre MitarbeiterInnen), die allen Entscheidungen übergeordnet sind. Die Kuratoren und Kuratorinnen und ihre MitarbeiterInnen, die u.a. die Wechsel- und Sammlungsausstellungen konzipieren und betreuen. Die Kunstvermittlung, die u.a. Workshops, Führungen und Familientage organisiert.
Die Restauratoren, die Sammlungswerke, eingehende und ausgehende Werke untersuchen. Die Registrare, die u.a. für den Leihverkehr und die Transporte zuständig sind und die Art Handler, die den Ausstellungsauf- und -abbau planen und durchführen.
Die Publikationsabteilung, die für die Ausstellungskataloge zuständig ist. Die Kolleginnen von Veranstaltungen & Public Program, die u.a. besondere Events in den Ausstellungen, aber auch das grosse Sommerfest und die alljährliche Gala organisieren. Die KollegInnen vom Sponsoring, die Förderer suchen und den Freundeskreis und den Art Club betreuen.
Die Kommunikationsabteilung, die die Anliegen des Museums nach aussen vertritt. Und darüber hinaus gibt es auch Mitarbeitende, die sich um Infrastruktur und den Neubau oder um Guest & VIP Relations kümmern, die für die Finanzen, juristische Fragen, das Personal oder die Informatik zuständig sind. Das ist jetzt alles sehr stark vereinfacht, aber vielleicht gibt es einen grundsätzlichen Überblick.
Frauen in der Kunst – was ist deine Erfahrung und Meinung zu diesem Thema in Kunstmuseen?
Es kommt mir eigentlich selten in den Sinn, mich als «Frau in der Kunst» zu beschreiben, weil ich eher wenig auf meine eigene Person und mein Geschlecht fokussiert bin. Aber ich mache in meiner Arbeit Erfahrungen, die mich dezidiert darauf zurück werfen. Trotz eines sehr harmonischen Miteinanders und neben aller Unterstützung, die ich erfahre, erlebe ich auch Ungerechtigkeiten, Blockaden meiner Arbeitsweise und diskretes wie öffentliches Mansplaining.
Das hängt zum einen damit zusammen, dass ich eine junge Frau bin, die ein bisschen zu ruhig auftritt. Zum anderen verstehe ich es als ein strukturelles Problem: Stark professionalisierte, eher konservative Kunstinstitutionen, wie etwa auch die Fondation Beyeler, sind in den meisten Fällen tendenziell hierarchische, künstlerkultige Systeme, die solche Situationen bedingen, möglicherweise sogar unumgänglich machen.
Um nur zwei Punkte zu nennen: Wenn man sich in seinen Ausstellungen am klassischen kunsthistorischen Kanon orientiert und es weniger darum geht, diesen in neue Konstellationen zu bringen, dann werden dadurch auch bestimmte Normen und Sichtweisen transportiert. Wenn man mit einer Sammlung arbeitet, in der quasi jede Position eine weisse, männliche ist, dann hat das durchaus auch Auswirkungen auf die Menschen, die tagtäglich damit umgehen.
Ich denke, wenn es um ungleiche (Geschlechter-) Verhältnisse in Kunstinstitutionen geht, dann sind die Punkte, über die man generell nachdenken sollte: Macht und Patriarchat, Genie und Kanon, Kollegialität und Zusammenhalt, Transparenz und Anerkennung.
Wie würdest du jemanden, der noch nie in seinem Leben in einem Kunstmuseum war, davon überzeugen in die Fondation Beyeler zu kommen?
Trau dich, es ist magisch.
Wie wär's mal mit...
...Dora Hitz? Das Werk der Berliner Malerin ist Thema meiner Doktorarbeit und wird mich in der kommenden Zeit beschäftigen.
Vielen Dank liebe Rahel für die ausführlichen Antworten rund um Kunst, die Fondation Beyeler, deinen Alltag und die relevanten Themen, über die es sich zu sprechen lohnt.
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von Ana Brankovic
am 01.07.2019
Fotos
© Ana Brankovic für Wie wär's mal mit
Wer die Bilder weiterverwenden möchte, muss sich die Rechte bei Wie wär’s mal mit einholen.
Die Fondation Beyeler ist mit ihren hochkarätigen Ausstellungen und der eigenen Sammlung an Werken der modernen und zeitgenössischen Kunst nicht nur das beliebteste Kunstmuseum der Schweiz, sondern auch ein Ort voller Möglichkeiten. Wir sprachen mit Assistenzkuratorin Rahel Schrohe unter anderem über ihren Alltag im Museum, Frauen in der Kunst, die Ausstellung «Rudolf Stingel» und den kunsthistorischen Kanon. Was sie uns wohl Spannendes zu erzählen hat?
Liebe Rahel, beschreibe dich in einem Satz.
Meine Schwester sagt immer, ich sei zu ernst, dabei halte ich mich für total kindisch.
Wie kamst du zur Fondation Beyeler und was ist hier deine Rolle?
Ich habe in Berlin Kunst- und Bildgeschichte studiert mit einem Schwerpunkt auf zeitgenössischer Kunst und Bildwissenschaft, meinen Master 2015 mit einer Arbeit über die Bilder des Hubble Space Telescope abgeschlossen und mich anschliessend auf Jobs beworben. Meine erste Bewerbung ging nach Basel – und hat unerwarteterweise direkt geklappt.
Die ersten zweieinhalb Jahre habe ich für die Senior Curator Theodora Vischer gearbeitet, erst als kuratorische Assistentin im Volontariat und dann als Assistenzkuratorin. Ich war an tollen Ausstellungsprojekten beteiligt: Alexander Calder & Fischli/Weiss, Roni Horn, Wolfgang Tillmans und Tino Sehgal. Später wurde ich dann gefragt, ob ich die Projektleitung der Stingel-Ausstellung übernehmen möchte. Ich hatte eigentlich geplant, mich intensiver mit meiner Doktorarbeit zu beschäftigen, aber das war so ein tolles Angebot, das ich nicht hätte ablehnen können.
Du hast die Rudolf Stingel Ausstellung in Zusammenarbeit mit Udo Kittelmann und Rudolf Stingel mitkuratiert und begleitet. Was bedeutet es eigentlich Kuratorin zu sein?
Das ist immer etwas unterschiedlich und von Institution zu Institution verschieden. In meinem Fall war es so: Nachdem der Künstler Rudolf Stingel und Gastkurator Udo Kittelmann vor etwas über einem Jahr die ungefähre Werkauswahl und Anordnung innerhalb der Räume bestimmt hatten, habe ich die Projektleitung für die kuratorische Umsetzung übernommen. Das umfasst viele kleine und grosse Schritte und richtet sich nach innen wie auch nach aussen. Im Groben also: Vor Ort im Museum die internen Abläufe mit den einzelnen beteiligten Abteilungen koordinieren, diskutieren, prüfen, die wichtigsten Punkte in regelmässigen Abständen mit unserem Direktor Sam Keller, mit dem Gastkurator und dem Künstler und insbesondere mit seinen beiden Studios (in Meran und in New York) besprechen. Und dann das Ganze wieder zurückspielen und schauen, dass alle Infos die richtigen Personen erreichen und dann umgesetzt werden.
Jeder Tag ist anders: Absprachen mit meinem Projektteam, Treffen und Telefonate mit dem Gastkurator, dem Künstler und seinen MitarbeiterInnen, Leihgesuche, Presse- und Saaltexte schreiben, Bilder für verschiedene Verwendungszwecke bestimmen, Bildlegenden und Übersetzungen kontrollieren, und natürlich auch: Widerstände aushalten, mit Hierarchien klarkommen. Wenn die Ausstellung dann läuft: Einführungen für die Mitarbeitenden geben, Führungen für die Presse und VIPs, bei den Begleitveranstaltungen dabei sein, ein offenes Ohr für die BesucherbetreuerInnen haben, das Künstlerstudio und den Gastkurator in regelmässigen Abständen updaten.
Es bedeutet, dass man präzise kunsthistorische Arbeit leisten und gleichzeitig eine empathische Mediatorin sein muss. Man muss den Überblick behalten und darf dabei kein einziges Detail aus den Augen verlieren. Und wenn dann doch mal ein Fehler passiert: nicht verzweifeln.
Beschreibe die Rudolf Stingel Ausstellung in deinen 3 treffenden Worten.
Orange und silbern.
Wenn man die Kunst von Rudolf Stingel essen könnte, wie würde diese schmecken oder was wäre es?
Ich denke an Millefeuille und Martini.
Welches ist dein persönliches Lieblingswerk in der Rudolf Stingel Ausstellung und weshalb?
Das ist wahrscheinlich die Serie von fünf neuen abstrakten Werken, die nach dem in Stingels Künstlerbuch «Instructions» beschriebenen Prozess gemalt wurde. Sie bilden – auch architektonisch betrachtet – das Herzstück der Ausstellung und markieren das ganz Spezifische in Stingels Malerei. Sie sind beides: figurativ und abstrakt und verbinden dadurch die beiden Pole des Oeuvres in sich.
Rudolf Stingel mag es seine Werke «Untitled» zu benennen. Weisst du weshalb?
Natürlich ist Stingel ein Maler – aber gleichzeitig arbeitet er sehr konzeptuell. Die Entscheidung, seine Werke als Untitled zu bezeichnen, geht vermutlich darauf zurück. Im ganzen Werk zeigt sich diese Haltung: Der Künstler gibt die Rahmenbedingungen vor und bindet dann aber den Zufall ein bzw. zieht sich aus den weiteren Prozessen zurück. Nur logisch also, dass er auch durch den jeweiligen Werktitel keine einengende Vorgabe machen möchte.
Weshalb sollte man unbedingt das Café Bey besuchen?
Tina Buchen wählt den schönsten Schmuck aus. Und die Einrichtung ist super!
Was waren für dich bisher persönlich ganz besondere Momente als Assistenzkuratorin in der Fondation Beyeler?
Eigentlich gibt es jeden Tag kleine Highlights – meine Kolleginnen und Kollegen bringen mich zum Lachen und zum Nachdenken, beides ist grossartig. Und natürlich kann man sich kaum einen schöneren Arbeitsplatz als diesen vorstellen. Allein die Bäume im Park, auf die ich von meinem Bürofenster aus schaue, machen mich ausnahmslos immer glücklich.
Sammlung Beyeler: Welche drei SammlungskünstlerInnen oder Werke sind deine persönlichen Favoriten und weshalb?
Die Glasskulpturen «Opposites of White» (2006-7) von Roni Horn, die «Water Lilies» (2012) von Philippe Parreno und Claude Monets «Le bassin aux nymphéas» (ca. 1917-20) – weil sie so einzigartig mit Renzo Pianos Architektur funktionieren und die Natur auf so kluge Weise in sich aufnehmen und potenzieren. Und natürlich wegen ihrer Schönheit und der Klarheit der Form.
«Ah, du arbeitest in einem Kunstmuseum, dann machst du also selber Kunst?» Kennst du das? Wie würdest du den Museumsbetrieb der Fondation Beyeler jemandem erklären, der keine Ahnung hat, wer da alles arbeitet und was die Aufgaben und Arbeitsbereiche sind.
Kenne ich sehr gut. Der Museumsbetrieb der Fondation Beyeler ist extrem professionalisiert und bis in die kleinsten Bereiche aufgeteilt. Wenn man das Museum besucht, trifft man nur einen Bruchteil der Mitarbeitenden, diejenigen mit direktem Kundenkontakt: Die KollegInnen von der Besucherbetreuung und vom Restaurant, vom Art Shop und vom Führungsteam.
In den verschiedenen Büros sitzen mehr oder weniger unbemerkt die einzelnen Abteilungen: Es gibt den Direktor und die kaufmännische Direktorin (und ihre MitarbeiterInnen), die allen Entscheidungen übergeordnet sind. Die Kuratoren und Kuratorinnen und ihre MitarbeiterInnen, die u.a. die Wechsel- und Sammlungsausstellungen konzipieren und betreuen. Die Kunstvermittlung, die u.a. Workshops, Führungen und Familientage organisiert.
Die Restauratoren, die Sammlungswerke, eingehende und ausgehende Werke untersuchen. Die Registrare, die u.a. für den Leihverkehr und die Transporte zuständig sind und die Art Handler, die den Ausstellungsauf- und -abbau planen und durchführen.
Die Publikationsabteilung, die für die Ausstellungskataloge zuständig ist. Die Kolleginnen von Veranstaltungen & Public Program, die u.a. besondere Events in den Ausstellungen, aber auch das grosse Sommerfest und die alljährliche Gala organisieren. Die KollegInnen vom Sponsoring, die Förderer suchen und den Freundeskreis und den Art Club betreuen.
Die Kommunikationsabteilung, die die Anliegen des Museums nach aussen vertritt. Und darüber hinaus gibt es auch Mitarbeitende, die sich um Infrastruktur und den Neubau oder um Guest & VIP Relations kümmern, die für die Finanzen, juristische Fragen, das Personal oder die Informatik zuständig sind. Das ist jetzt alles sehr stark vereinfacht, aber vielleicht gibt es einen grundsätzlichen Überblick.
Frauen in der Kunst – was ist deine Erfahrung und Meinung zu diesem Thema in Kunstmuseen?
Es kommt mir eigentlich selten in den Sinn, mich als «Frau in der Kunst» zu beschreiben, weil ich eher wenig auf meine eigene Person und mein Geschlecht fokussiert bin. Aber ich mache in meiner Arbeit Erfahrungen, die mich dezidiert darauf zurück werfen. Trotz eines sehr harmonischen Miteinanders und neben aller Unterstützung, die ich erfahre, erlebe ich auch Ungerechtigkeiten, Blockaden meiner Arbeitsweise und diskretes wie öffentliches Mansplaining.
Das hängt zum einen damit zusammen, dass ich eine junge Frau bin, die ein bisschen zu ruhig auftritt. Zum anderen verstehe ich es als ein strukturelles Problem: Stark professionalisierte, eher konservative Kunstinstitutionen, wie etwa auch die Fondation Beyeler, sind in den meisten Fällen tendenziell hierarchische, künstlerkultige Systeme, die solche Situationen bedingen, möglicherweise sogar unumgänglich machen.
Um nur zwei Punkte zu nennen: Wenn man sich in seinen Ausstellungen am klassischen kunsthistorischen Kanon orientiert und es weniger darum geht, diesen in neue Konstellationen zu bringen, dann werden dadurch auch bestimmte Normen und Sichtweisen transportiert. Wenn man mit einer Sammlung arbeitet, in der quasi jede Position eine weisse, männliche ist, dann hat das durchaus auch Auswirkungen auf die Menschen, die tagtäglich damit umgehen.
Ich denke, wenn es um ungleiche (Geschlechter-) Verhältnisse in Kunstinstitutionen geht, dann sind die Punkte, über die man generell nachdenken sollte: Macht und Patriarchat, Genie und Kanon, Kollegialität und Zusammenhalt, Transparenz und Anerkennung.
Wie würdest du jemanden, der noch nie in seinem Leben in einem Kunstmuseum war, davon überzeugen in die Fondation Beyeler zu kommen?
Trau dich, es ist magisch.
Wie wär's mal mit...
...Dora Hitz? Das Werk der Berliner Malerin ist Thema meiner Doktorarbeit und wird mich in der kommenden Zeit beschäftigen.
Vielen Dank liebe Rahel für die ausführlichen Antworten rund um Kunst, die Fondation Beyeler, deinen Alltag und die relevanten Themen, über die es sich zu sprechen lohnt.
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von Ana Brankovic
am 01.07.2019
Fotos
© Ana Brankovic für Wie wär's mal mit
Wer die Bilder weiterverwenden möchte, muss sich die Rechte bei Wie wär’s mal mit einholen.