«Hotmailhotnail» Zürich: Im Gespräch mit Ivana Milenković

Nailart hat eigentlich gar nichts mit Kunst zu tun und wer seine Nägel macht, ist bestimmt weiblich und eitel? Zwei Klischees, die noch immer oft mit dem Gang ins Nagelstudio assoziiert werden. Seit einem Jahr zeigen Ivana und Yvee mit «Hotmailhotnail», dass Nägelmachen auch anders geht. Mit Erfolg. Umso überraschender, dass das Ganze durch Zufall und Corona zustande gekommen ist.


Liebe Ivana, wer bist du und was machst du?
Ich bin Ivana Milenković und seit einem Jahr mache ich Nägel im Nagelstudio «Hotmailhotnail». Zur Zeit zu hundert Prozent, denn aufgrund der Pandemie musste ich einige Dinge zwangsläufig pausieren. So etwa mein Dokumentarfilmprojekt, dass ich im Oktober 2019 in Mazedonien begonnen habe und wo eine Weiterführung diesen Herbst aufgrund der aktuellen Lage nicht mehr möglich war. Mit diesem Film wollte ich mich ursprünglich dann auch in Belgrad für ein Regiestudium bewerben. Vor «Hotmailhotnail» war ich am Konzert Theater Bern – wo ich auch als Regieassistentin beginnen wollte – und habe an der Universität Zürich Kunstgeschichte und Filmwissenschaften studiert.



Wie bist du zu «Hotmailhotnail» gekommen?
Auslöser war die Idee einer Freundin, im kleinen Lokal neben der Rothausbar einen 1-Franken-Laden zu eröffnen. Luca, Janina und Urs – die Betreiberinnen der Bar – verfolgten zu dieser Zeit das Konzept eines immer wieder wechselnden Gastes. So waren schon El Compañero und ein Sushi-Pop-Up vor uns drin. Ich war von der Idee, etwas eigenes direkt an der Langstrasse aufzubauen, begeistert. Und ein Nagelstudio würde doch perfekt passen.



Wie ging es dann weiter?

Zuerst bin ich für mein Dokumentarfilmprojekt nach Mazedonien gereist. Damals dachte ich mir, dass bis zur Eröffnung im Dezember 2019 noch genug Zeit wäre und ich bis dahin gelernt hätte, wie man Nägel macht. So habe ich bereits auf dem Balkan und anschliessend auch in Japan – an beiden Orten sind gemachte Nägel weitaus populärer wie hierzulande – viele Eindrücke und meine ersten Erfahrungen mit Acrylmodellage gesammelt. Zurück in der Schweiz habe ich mein Vorhaben via Social Media gepostet, woraufhin Yvee Nogara auf mich zugekommen ist. Da wir beide zuvor noch nie professionell Nägel gemacht haben, begannen wir also zu üben. Zuerst an uns selbst, dann an Freundinnen, mal im Wohnzimmer, dann bei Yvee im Atelier. Ins Rothaus sind wir dann Corona bedingt erst am 4. Mai 2020 eingezogen.


Im Rothaus in Zürich konntet ihr bis zuletzt auch bleiben.
Genau. Zu Beginn standen wir eigentlich an jedem Monatsende vor der Entscheidung, ob und wie wir mit «Hotmailhotnail» weitermachen wollen. Denn eigentlich hat das Ganze als Kunstprojekt gestartet und wir merkten allmählich, dass wir immer mehr und vor allem unbeabsichtigt in den Dienstleistungssektor hinein gerieten. Als schliesslich von Seiten Luca, Janina und Urs das Angebot für eine permanente Nutzung des Lokals kam, haben wir nichtsdestotrotz zugesagt.


Wo konnte man nebst der Langstrasse sonst noch auf «Hotmailhotnail» stossen?
Seit unserer Eröffnung im Mai 2019 waren wir immer Mal wieder in diversen Studios und Ateliers zu Gast. Ein erster Event fand bereits schon am Frauenstreik vom 14. Juni 2019 statt, da haben wir einzelne Nägel über die Gasse gemacht. Eine Woche später folgten zwei Auftritte in Tillmanns Abendschau für kapsel.space und im Juli waren wir zusätzlich zu unserer Residenz im Rothaus den ganzen Monat im Rahmen des RFSC in der Roten Fabrik. Dafür haben wir unsere gesamte Ausrüstung jede Woche mit den Velos von der Langstrasse nach Wollishofen und wieder zurück transportiert. Daneben haben wir für eine Performance des Tanzhauses Zürich eine Reihe Press-On-Nägel kreiert, die man abnehmen kann. Zuletzt hatten wir verschiedene Anfragen für Musikvideos, die jedoch Corona bedingt abgesagt werden mussten.


Im November 2020 hiess es dann Ende für die Rothausbar und somit Ende für Hotmailhotnail an der Langstrasse. Jetzt habt ihr am Rindermarkt 23 Neueröffnung gefeiert. Wie war das?
Als bekannt wurde, dass die «Republik» die Rothausbar und uns auf Ende Jahr sozusagen rausschmeissen werden, ist «enSoie» auf uns zugekommen und hat uns ihr Lokal im Niederdorf zur Zwischennutzung angeboten. Auf einmal musste alles sehr schnell gehen, und so haben wir mit Hilfe von Noel Picco innert kürzester Zeit auf die Neueröffnung am 26. November 2020 hingearbeitet: Wir haben einen neuen Tisch gebaut, eine kleine Bühne geplättelt und uns überlegt, wie wir den fast doppelt so grossen Raum sinnvoll nutzen können. Also haben wir verschiedene Leute eingeladen, mitzuwirken, um so ihnen und ihren Projekten eine Plattform zu geben. Dass sich der ganze Aufwand gelohnt hat, haben wir dann an der Neueröffnung erleben dürfen. Viele gute Menschen sind zusammengekommen, wir hatten eine Feuerschale mit Turboruss, Dino Brandão hat ein kleines Konzert zum Besten gegeben – kurzum: Es war richtig schön.



Auch euer Team hat sich vergrössert. Wer sind die Gesichter hinter «Hotmailhotnail»?
Neben Yvee und mir sind neu auch Melinda Bieri und Nina Orgiu mit im Team. Das liegt nicht zuletzt auch daran, dass sich Yvee diesen Herbst mehr ihrem Studium gewidmet hat und ich darum im Oktober und November mehrheitlich alleine gearbeitet habe.



Ihr habt schnell viele Fans gewonnen. Was unterscheidet euch von anderen Nagelstudios?
Ich glaube, das haben wir sicher auch unserem enormen sozialen Netzwerk zu verdanken, das andere Menschen, die ein Nagelstudio eröffnen, vielleicht nicht haben. Ein weiterer Grund liegt vermutlich in der Art und Weise, wie wir «Hotmailhotnail» auf Instagram präsentieren. Dadurch sind wir weggekommen von einem sehr klischeebehafteten Bild vom Nägelmachen, dass mir noch immer sehr verbreitet scheint. Nägel müssen nicht zwangsläufig mit Eitelkeit und einem voreingenommen Frauenbild einhergehen, sondern können auch Schmuck oder Kunstwerke sein. Was oft als reine Routine schubladisiert wird, kann zu einem Event oder ganzen Happenings gemacht werden – nicht nur für Frauen, sondern für alle. Zu guter Letzt haben wir sicher auch einen passenden Moment erwischt, ein Nagelstudio wie «Hotmailhotnail» in Zürich zu starten. 


Glaubst du es liegt auch daran, dass ihr euch in der Kunst- und Kulturszene bewegt?
Nicht unbedingt. Gemachte Nägel waren eigentlich nicht wirklich verbreitet in dieser Szene, obwohl sie sehr durchmischt ist. Neunzig Prozent unserer Kundinnen probieren Nailart das erste Mal aus.


Was gefällt dir am meisten an deiner Arbeit?
Mit «Hotmailhotnail» habe ich mir etwas aufgebaut, wovon ich nie gedacht hätte, dass ich es einmal machen würde. Vor allem nicht über ein Jahr. Das Nägelmachen ist eine sehr repetitive Arbeit, alles ist sehr filigran. Das war neu für mich und trotzdem bereitet mir diese Arbeit sehr viel Freude – auch und gerade, weil ich so auch unter Leuten sein kann und direktes Feedback für meine Arbeit erhalte.


Gibt es auch etwas, das dir gar nicht zusagt?
Ja, dass wir mit der Zeit immer mehr in den Dienstleistungssektor reingerutscht sind. Wir machen eigentlich endless von früh bis spät Nails, anderes hat da fast keinen Platz mehr. 


Am 17. Januar 2021 ist eure Zwischennutzungszeit schon vorbei, wohin wird es weitergehen?
Wir wissen noch nicht lange, dass wir statt bis zum 31. Dezember nun bis zum 17. Januar am Rindermarkt 23 bleiben dürfen. Wie es dann weitergeht, ist noch nicht klar. Eine Option wäre die Nasa Tankstelle – eine weitere die Zwischennutzung im Haus Eber im Kreis 4.


Was wünschst du dir für die Zukunft von «Hotmailhotnail»?
Ich wünsche mir ein wenig den Vibe zurück, den wir zu Beginn bei «Hotmailhotnail» hatten. Weg vom reinen Dienstleistungs-Dasein und wieder hin zu entspannterem Zusammensein. Wir möchten wieder vermehrt Kunstprojekte und 3D-Nailart verfolgen – mit dem nächsten Ortswechsel soll dieser Austritt angestrebt werden. Trotzdem möchten wir zugänglich bleiben für alle. Und natürlich, dass wir weiterhin dem etablierten und teilweise verschobenen Bild vom Nägelmachen entgegenwirken. Wer weiss, vielleicht erstellen wir schon bald Press-On-Nägel im gleichen Studio wie ein Radio?

Wo in Zürich bist du am liebsten?
Kürzlich war ich wieder einmal zu Besuch in Witikon (Kreis 7), wo ich geboren und aufgewachsen bin. Den Spaziergang durch das verschneite Dörfchen habe ich sehr genossen.


Wenn nicht Corona wäre, in welcher Bar oder in welchem Club würde man dich antreffen?
Wenn Corona und die Republik nicht wären, dann in der Rothausbar.

Wie wär’s mal mit…
…bedingungslosem Grundeinkommen?



Vielen lieben Dank Ivana für das tolle Gespräch und die Einblicke in deine Welt der Nagelkunst.


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von Valérie Hug
am 21.12.2020


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