Institut Mode-Design: Im Gespräch mit Priska Morger

Priska Morgers kreative Laufbahn zieht weite Kreise. Ein in den 90ern in Basel abgeschlossenes Modestudium führt in die renommierte Fashion Design Praxis nach Antwerpen zu einer Assistenz beim belgischen Modeschöpfer Raf Simons und zu Haider Ackermann als Freelance-Consultant, später nach Wien in die Lehre an die Universität der angewandten Künste und zur Mitarbeit für die belgische Designerin Veronique Branquinho, die dort Gastprofessorin war für 5 Jahre. Grosse belgische Namen, grosse Adressen. Im Gespräch trifft man auf einen Geist, der Mode als Motor für gesellschaftliche Veränderungen sieht, eine „Can-Do“-Haltung. Wir treffen Priska Morger, die Nomadin, in ihrem Zuhause in Kleinbasel.


Liebe Priska, wer bist Du und was machst Du?
Seit 2011 habe ich die künstlerische Leitung am Mode-Design Institut der HGK/FHNW in Basel inne. Vor der Annahme dieser Position arbeitete ich bereits einige Male fürs Institut, etwa als Teil der Jury für Abschlussprojekte oder als Gastdozentin für Workshops.


Wie kamst du zum Mode Institut?
Von 1995 bis 1998 studierte ich selber Mode an der Schule, damals hiess der Studiengang noch „Körper und Kleid“. Ich bin also eine Alumni. Dadurch, dass ich später Jury- oder Styling-Funktionen für den Studiengang übernehmen konnte, sowohl auch starke praktische Erfahrungen in meiner Zeit bei Raf Simons (belgischer Designer, heute CCO Calvin Klein) sammelte und einfliessen lassen konnte, kam ich dann zu diesem Job. Simons lernte ich übers Studium kennen. Schon damals führte der Studiengang ein Praktikum-Semester. Der Studiengang am Mode-Design Institut HGK/FHNW in Basel ist der einzige Bachelor Studiengang (von allen anderen Fachhochschulen in der Schweiz), der in sieben Semestern abgeschlossen wird. Von 2005-2010 hatte ich meine Assistenzzeit an der Universität für angewandte Kunst in Wien in der Modeklasse. Während dieser Zeit besuchte mich Kurt Zihlmann (Institutsleitung Mode-Design) und fragte mich, ob ich Interesse an der Stelle hätte. Mein Sohn Oleg war gerade 8 Jahre alt. Ich dachte mir, es sei eine interessante Erfahrung, mein Wissen in der Schweizer Lehre weiterzugeben als künstlerische Leitung. Ich machte während der Wienzeit weiter Freelance-Consulting-Erfahrungen und hatte ein eigenes Kollektiv Label von 2007-2009, welches Radic/Morger hiess. Diese Lebenserfahrungen der Praxis und der Lehre weitergeben zu können, fand ich einen sehr guten Schritt.


Von Wien kamst du dann nach Basel?
Im ersten Jahr bedeutete dies, zwischen beiden Städten zu pendeln, aber ich freute mich sehr auf das gestalterische Potenzial in der Schweiz und wollte mir Zeit mit dem Ankommen lassen. Ich finde es nach wie vor gut mehrere Homebases zu haben, um viele Orte als Inspiration auf mich und meine Arbeit wirken lassen zu können.

1998 hast du abgeschlossen – wie sah dein Diplom aus?
Mein Konzept für den Abschluss und die Kollektion beinhaltete eine unabhängige Location, fern von den Räumen der Schule, dazumals im Warteck Gelände in Basel. Ich arbeitete mit Cirqu’enflex zusammen, einer Basler Company aus Tänzern und Theaterleuten, die dort einen Übungsraum haben. Thema des Konzepts war „Gehender sonderbarer Gleichklang“. Was mich schon dazumal interessierte, war eine Verschiebung der Mode weg vom Catwalk. Eine andere Möglichkeit Mode sichtbar zu machen. Ich verlagerte die Präsentation der Kollektion in diese Räume im Warteck, bespielte einen Teil der Kollektion an den Wänden und die fünf Performerinnen inszenierten mit Accessoires, Lederschuhen und Masken, die auf die Uniformität von Menschen anspielten. Ich wagte mich auch und gestaltete individuelle Einladungen, es war mehr Happening als konventioneller Rahmen einer Modeshow. Das war '98.


Alternative Umsetzungen einer Modeschau und „gehender sonderbarer Gleichklang“ – findet sich dies heute wieder in „Doing Fashion“, dem Statement des Instituts?
Was sicher präsent ist, ist der einheitliche Designansatz, in welchem der Fokus sehr auf dem Menschen liegt. Weiterzudenken. Über die Produktion einer Kollektion hinaus. Wir haben drei Gestaltungsperspektiven – Lehren, die im Studium gleichzeitig synchron stattfinden, Recherche und Entwurf für den Prozess und das Konzept, dann auch Design und Oberflächengestaltung aber auch visuelle Kommunikation und Inszenierung. Dies zusammen bildet das Training, wie die Kollektion dann im Raum gestaltet als präsentierte Form zum Ausdruck kommt. Ich suche oder sehe keine Trennwelten zwischen der Haltung eines Designers und seiner Kollektion. Man spürt dies sehr stark bei unseren Studenten in ihrer Diversität. Meistens gerade wenn es einen Clash gibt, fliesst das auch in den Designprozess mit ein. Die ganze Biografie nimmt Einfluss, ob bewusst oder unbewusst.


Was kann man sich unter „Clash” vorstellen?
Wenn die Kollektion in ihrer Materialität oder als Schönheitsideal etwas widerspiegelt, wie die Art des Raumes, über den Cast oder im Code der Inszenierung, der sich ändert, eine Farbe, etwas, was ich so noch nicht in dieser Form wahrgenommen habe oder eine neue Reaktion auslöst... Unterschiedliche Themen in der Kollektion, die Zugang zu was Neuem ergeben. Reaktionen. Konfrontationen. Emotionen. In der Form von Ästhetik, die man so noch nicht erlebt hat. „Doing Fashion“ deutet gesellschaftskritisches Handeln an, eine Haltung zu entwerfen gegen gehaltlose Mode. Das Leitmotiv nennt „fight mindless Uniformity by deeply committed Fashion“. „Look Therapy“ war Thema des letzten Diploms und birgt Zweideutigkeit – spielerisch mit „to look“ und „the look“ umzugehen. Einerseits im Look den man trägt, aber auch wie man etwas anschaut. Die Offenheit konforme Ansichten, Erfahrungen oder Erziehung loszulösen und einen anderen Zugang zu finden.


Modestatements in Basel?
Mich würde ein grösserer Anteil von Glitzer in den Strassen dieser nackten Tatsachen hier freuen. Mehr individuelles starkes Ausdrucksleben in der ganzen Aura! Aber vielleicht ist dies weniger auf der Ebene des Kleidens relevant. Obschon Fakt ist, es ist Teil unserer Kultur, wie wir uns kleiden. Wir kleiden uns täglich, kommunizieren also auf dieser Ebene immer wieder.

Stichworte: Nachhaltigkeit und Produktion?
Tatsache ist, wir haben global einen Überschuss von Produktion, eine gewisse Erschöpfung ist da sicherlich zu spüren. „Doing Fashion“ versucht sich in seiner Message, dem entgegenzustellen. Auch entgegnet es ständig zu viele und zu grosse Kollektionen zu produzieren. Stücke finden sich irgendwann im Outlet wieder – reduziert. Wenn man mit einem anderen Bedürfnis an Mode herantritt, unter Einbezug und Bewusstsein fürs Handwerk, ändert sich dies. Massenkonsum und Kurzlebigkeit empfinde ich als tragisch.
Produktionen, die sich auf Nachhaltigkeit fokussieren, finden sich in Basel wieder – wie etwa AHOI AHOI, die Stücke und ihre Materialien werden vor Einkauf geprüft, auf ihre Herstellung oder unter welchen Arbeitsbedingungen produziert wurde.
Wenn Nachhaltiges produzieren auch mit Ästhetik zusammen spielt, dann stimmt's für mich.



Welche Orte und Mode sprechen dich in Basel visuell an, wo findest du dich in der Mode wieder?
Sicherlich bei meinen Studierenden. Ab und an kaufe ich einen Prototyp, den ich toll finde, der zu mir passt. Ob es nun ein Accessoire oder ein Kleidungsstück ist. Vor kurzem habe ich mir ein Stück der Baslerin Julia Stöcklin gekauft. Ein Seidenkleid mit Brust- und Po-Relief im Nudelook! Oft haben meine Erlebniseinkäufe/-geschenke etwas mit meinen Reisen zu tun und sind bleibende magische und besondere Erinnerungen.

Was gibst du den Studierenden kurz vor ihrem Abschluss mit auf den Weg?
Ein Nein hat man immer. Ruhig etwas ehrgeizig sein. Ihr seid mit dieser Ausbildung international konkurrenzfähig und könnt mithalten. Verkauft euch nicht unter Wert und wagt den Schritt, eurer Vision zu folgen. Bleibt eurem Weg treu… Es kann auch sein, dass man sich nach dem Abschluss nicht als Designer wiederfindet. Aber vielleicht in die Produktion, in die visuelle Kommunikation gehen möchte, auch solche Wege sind möglich. Diese Disziplinen schliessen sich ja nicht aus. Wir hatten auch Studierende, die über das Modestudium den Weg in die Grafik oder in die Fotografie fanden, auch einen Master in Kunst machen – im Praktikum, dann als Assistenz und heute selbstständig als Designer oder als Fotografen in der Mode arbeiten.


Stichworte: Disziplin und Multitasking.
Dies hat sich kürzlich in der Kooperation mit der Kunsthalle Basel gezeigt.

Genau, das war eine Kooperation mit Abteilung Kunstvermittlung der Kunsthalle und der in diesem Zeitraum ausstellenden Künstlerin Maria Loboda. Unsere Studierenden liessen sich von einem Werk in der Ausstellung inspirieren, erarbeiteten eigene Recherchen und Entwürfe, die inhaltlich oder formell mit dem Thema und den einzelnen Arbeiten zu tun hatten. Die Ergebnisse der Entwurfsphasen wurden dann, während einem gemeinsamen Editing, in der Ausstellung zusammen gezeigt. Anlässlich des Openings haben wir den Kreis erweitert, weil Kooperation ein relevantes Thema des Zeitgeists ist. Für die Performances wurde zusätzlich mit eingeladenen Soundartists gearbeitet. In diesem Fall mit Djana Covic, eine Performance-Künstlerin, Alex Murray Leslie von „Chicks on Speed” und dem Basler Marco Papiro. Hier sieht man den Gedanken, das Motiv, was hinter „Doing Fashion” steht: Mode kann man nicht alleine machen, es soll eine Form von Reaktion auf das Umgebende sein. Eine multiple Kooperation, die dann viele weitere ergibt, wie hier in diesem Fall wo diese Künstler, Studierenden und (Kunst-)Arbeiten aufeinandertreffen. Auf diese Art einen Raum einzunehmen, das ist eine Art Teaching- und Lernpraxis, in der sich Studierende umsetzen und ausdrücken können, aber auch die Chance haben sich an einem Publikum zu testen.


Vor diesem Hintergrund bringt ihr auch das „Doing Fahion Paper” heraus.
Das „Doing Fashion Paper” erscheint einmal jährlich, jedesmal in einem anderen Kleid. Anlässlich der Zusammenarbeit mit der Kunsthalle wurde die sechste Edition gelauncht. Jedes Magazin steht unter einem Jahresthema, gilt für die Studierenden und bringt eigentlich ihre Zeit während dem Studium auf Papier. Wir als Institut bringen damit, die Inhalte des Studiums, die Lehre, aufs Papier – also ein verlängerter Arm des Studiums. Das Magazin bedient sich den Entwurfsprozessen der Studierenden und versucht diese für den Leser erfahrbar zu machen. Mit diesen Inhalten arbeiten wir in der Redaktion: wir, Andrea Sommer im visavis als Editor-in-Chief zusammen mit dem Basler Grafiker Jiri Oplatek / Claudia Basel, versuchen Formen zu finden für die Umsetzung des Papers. Mit den ersten fünf Publikationen erhielten wir den Designpreis Schweiz. Dies war deshalb so toll, weil der Preis nicht für Mode-Design gesprochen wurde, sondern für visuelle Kommunikation in der Mode. Was Mode genau machen soll – als Form der Kommunikation wahrgenommen werden und als Inspiration eine Bewegung auslösen.


Wer sind deine Vorbilder in der Mode? Welche Charakter oder Meinungen innerhalb deiner beruflichen Laufbahn prägten dich am stärksten?
Ann Salens, die belgischen Designer der Antwerp 6. Raf Simons durch die Zusammenarbeit und seine Visionen und menschliches Sein. Yoko Onos „ Cut Piece”-Performances und Eigenkunst. David Bowie für seine Fähigkeit in Rollen zu schlüpfen, eine Art Überlebensstrategie auf der Bühne – immer wieder andere Outfits und neue Emotionen verkörpern – und dafür, wie er den Ausdruck in den Kleidern mit Musik kombinierte.


Musik in Verbindung mit einem Kleidungsstück – welcher Song kommt Dir spontan in den Sinn?
David Bowies „Ziggy Stardust“, Raf Simons Video vor der Showzeit, in welcher er Smashing Pumpkins’ „We Only Come Out at Night“ verwendete oder ein Energie-Song von Laurie Anderson „Beautiful Red Dress“.


Stichwort Rhythmus – wo stimmt für dich das Tempo in Basel?
Mittwochsbar in Kleinbasel und am Hafen.

Wie wärs mal mit...
...Rhein und Leichtigkeit.



Liebe Priska, wir danken dir für das spannende Gespräch und dafür, dass du deine Blickweise auf die Basler Modelandschaft mit uns teilst. Wir ziehen unsere Lehren daraus und fragen euch, wie wärs mal mit mehr Glitzer im Alltag und den Mut haben sich selbst zu sein?


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von Shirin Zaid
am 28.08.2017

Fotos
Shirin Zaid für Wie wär's mal mit

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