Jugendkulturfestival Basel: Im Gespräch mit Carole Ackermann und Alain Schnetz

Wenn in der Innenstadt wieder dreizehn Bühnen für die Performances von über 1500 Jugendlichen und jungen Erwachsenen aufgestellt werden, weiss jeder Basler, dass es wieder soweit ist: das Jungendkulturfestival findet statt. Am ersten Septemberwochenende 2017, feiert das JKF sein 20-jähriges Jubiläum. Alain Schnetz und Carole Ackermann haben uns im Interview verraten, was sich alles an Kreativität, positiver Energie und Aufwand hinter dem JKF verbergen und weshalb sie sich für das „jensits krasse Fescht“ einsetzen.


Wer seid ihr und was macht ihr beim JKF?
Carole: Ich bin Carole Ackermann, die Geschäftsleiterin des JKF.
Alain: Ich bin Alain Schnetz, der Präsident des JKF. Carole und ich bilden zusammen das Leitungs-Duo.


Wie ist das JKF entstanden und wofür steht es?
Carole: Das JKF feiert dieses Jahr sein 20-jähriges Jubiläum. 1997 fand das JKF das erste Mal statt. Ursprünglich wurde es damals vom Verein «Wake up» als Festival für Drogenprävention ins Leben gerufen. In dieser Form fand das Festival zweimal statt, bevor der «Verein Neues JKF» das Festival übernommen, und den Fokus auf freie kulturelle Produktionen gerichtet hat. Diese Produktionen fanden danach nicht mehr nach dem Prinzip Top-down, sondern nach demjenigen des Bottom-up statt.
Das JKF steht für die enorme, kreative Energie, welche die jungen Leute der Stadt Basel, dieser zurückzugeben bereit sind. Oft ist die Sichtweise auf junge Leute eine problemorientierte, das JKF hält dem entgegen, indem es alle zwei Jahre demonstriert, dass rund 1800 junge Leute, die aktiv in das Festival involviert sind, freiwillig einen enormen Aufwand betreiben, um gemeinsam etwas Tolles auf die Beine zu stellen.



Was sind die grössten Veränderungen von damals zu heute?
Alain: Das JKF ist vielleicht nicht mehr so wild wie einst, dafür hat es an Professionalität gewonnen. Denn das JKF ist über die Jahre hinweg stark gewachsen, sodass auch das Organisationskomitee heute viel breiter aufgestellt ist als damals. Dies hat dazu geführt, dass der Austausch zwischen der Stadt Basel und den Jugendkulturen verbessert wurde. Das JKF fungiert heute als eine Art Mediator zwischen den beiden Seiten.
Carole: Wir sind heute ein wichtiger Ansprechpartner für diverse Institutionen, die sich mit den Anliegen der Jugendlichen auseinandersetzen.


Wie werden die Acts ausgewählt, wie die Jury?
Carole: Das JKF hat einen Vorstand, dessen Mitglieder alle für einen bestimmten Bereich verantwortlich sind. Diese überlegen sich jeweils, welche Fachexperten als Jurymitglieder für welchen Bereich in Frage kommen könnten. Es wird darauf geachtet, dass es sich bei den Juroren um Personen handelt, die in der Szene sehr aktiv und gut vernetzt sind, sich viel anschauen und anhören gehen, sodass sie beurteilen können, was von Relevanz, guter Qualität und zukunftsversprechend ist.
Anhand der vom Vorstand festgelegten Kriterien, entscheidet dann die Jury, wer von den Bewerbern am JKF auftreten darf.
Alain: Da wir vom Vorstand uns nicht anmassen wollen, zu beurteilen, was „gut“ oder „schlecht“ ist, geben wir den Auftrag an die Jurymitglieder weiter, die nah an der Szene dran sind. Diese sollen den Grundgedanken des JKF in ihre Bewertung einfliessen lassen, damit beispielsweise auch die Vielfalt beibehalten werden kann, die das JKF ausmacht. Dadurch wird sichergestellt, dass nicht immer bloss dieselben 30 Rockbands, sondern auch Klänge kurdischer Volksmusik am JKF zu hören sind.





Wenn ihr für die Buchstaben JKF drei alternative Worte für die Beschreibung des Jugendkultur Festivals nennen müsstet, welche wären das?
Carole: Jähses Kollegen Fescht, Jensits Krasses Fescht.
Alain: Jung Kaputt Frustriert (lacht), nein natürlich meinte ich Jung Kreativ Freudig.
Carole: Eigentlich fasst der Name Jugendkultur Festival das Ganze schon recht gut zusammen – der Name ist Programm.


Habt ihr selbst schon am JKF teilgenommen?
Carole: Ich habe noch nie teilgenommen, war aber früher schon als Helferin beim JKF im Einsatz.
Alain: Ich habe schon mit meiner Band Amorph teilgenommen. Was cool ist, da ich dadurch nun beide Seiten kenne. Es macht mich auch empathisch, weil ich nun nachvollziehen kann, was eine Ab- oder Zusage des JKF für eine junge Band bedeuten kann. Auch ist mir dadurch die Verantwortung, die ich als Präsident des JKF trage, noch bewusster geworden. Wir haben einen Auftrag, nicht nur im Namen der Stadt, sondern auch in jenem der Jugend.




Apropos Jugend: Was ist als Jugendliche(r) besser, was als Erwachsen(e)?
Alain: Als Jugendlicher hat man noch eher den Mut zum Experimentieren und Ausprobieren. Man geht mehr Risiken ein und ist innovativ, da die Denkweise noch freier und dynamischer ist. Zudem darf man noch unvernünftiger sein. Als Erwachsener hat man dafür die Gelassenheit und Erfahrung, um bessere Entscheide treffen zu können. Ich denke, dass wir mit dem Vorstand, der Geschäftsstelle und den Ressortmitarbeitern eine gute Mischung von beiden Seiten im JKF-Team haben.
Carole: Als Jugendliche ist man spontaner, dafür ist man als Erwachsene fokussierter. Man hat eher die Fähigkeit, sich voll und ganz auf etwas einzulassen. Oft ist es auch so, dass man mit Ruhe und einem überlegten Plan an die Dinge rangeht.
Als Erwachsene können wir vom JKF, den Jugendlichen einen Rahmen bieten, in welchem ihre Energie sinnvoll gebündelt wird und dadurch nicht vergeblich eingesetzt wird, oder gar verloren geht. Das ist auch der grösste Dienst, den das JKF den jungen Leuten erweist: dass es für sie in die Schlacht zieht und mit allen Institutionen, Geldgebern, Verwaltungen und Ämtern verhandelt, um den jungen Leuten eine Plattform zu bieten.



Wie sieht ein normaler Arbeitstag bei Euch aus?
Carole: Einen normalen Arbeitsalltag gibt es nicht. Es ist eher so, dass man ins Büro kommt und nie genau weiss, was einen heute erwartet. Das JKF findet ja alle zwei Jahre statt. Dazwischen ist der Arbeitsalltag von den Phasen abhängig, in welchen man sich grad befindet. Kurz vor dem Festival ist das Büro und die Geschäftsstelle voll besetzt und die Leute vom Vorstand natürlich öfters hier.
Alain: Es ist auch so, dass beim JKF der Vorstand ehrenamtlich arbeitet und nur die Geschäftsstelle bezahlt ist. Carole ist die Konstante vor Ort und ich bin je nach Bedarf hier: Je näher das Festival rückt, desto mehr wird das JKF-Büro auch zu meinem zweiten Zuhause.


Würdet ihr zu den Kategorien Musik, Tanz, DJ, Sport, Theater und Literatur noch weitere hinzunehmen?
Carole: Wir haben noch die Sparte „freie Projekte“, in welche alles kommt, was sich keinem anderen Bereich zuschreiben lässt. Denn es ist uns ein Anliegen, allem einen Raum zu bieten, was in den Kulturbereich einzuordnen ist.
Alain: Aus diesem Grund benötigen wir auch keine zusätzliche Sparte, denn mit derjenigen der „freien Projekte“ ist eine Niederschwelligkeit garantiert, welche jede/n, dazu animieren soll, sich zu bewerben, ganz egal womit.


Was war der schrillste, beste oder abgefahrenste Act bei einem JKF, den ihr je erlebt habt?
Alain: Eine Band hatte auf der Bühne eine Live-Kochshow veranstaltet, sozusagen als Persiflage auf die übertriebenen Kochsendungen im Fernsehen. Sie hatten Spaghetti gekocht, trugen Headsets, über welche sie alles kommentierten und gleichzeitig wurde das Ganze von der Band musikalisch begleitet. Das war sehr lustig und am Ende wurden die Spaghetti dem Publikum serviert.
Carole: Diesen Auftritt habe ich leider verpasst, aber ich persönlich finde ja, dass die schrägsten Dinge am JKF eher hinter den Kulissen als auf der Bühne stattfinden (lacht). Jeder, der schon mal für das JKF gearbeitet hat, kann das bestimmt bestätigen.




Was am JKF ist auf den ersten Blick nicht sichtbar?
Alain: Zum einen der Aufwand, der sich hinter dem JKF verbirgt: tausende Stunden ehrenamtlicher Arbeit, die geleistet werden und zum anderen natürlich der Wille und das Commitment der Teilnehmer, die alle ohne Gage auf das Festival hinarbeiten und auftreten.
Carole: Wie sehr man immer wieder für jede Zusage, Bewilligung und Genehmigung kämpfen muss, ohne diese das Festival nicht realisierbar wären. Und im Gossen und Ganzen ist es den Leuten auch nicht immer bewusst, dass sich jedes Mal tausende junger Leute freiwillig und mit Herzblut gemeinsam für eine positive Sache einsetzen.



Welche Neuerungen sind für die Zukunft beim JKF geplant?
Carole: Wir schauen immer, dass wir neue und junge Leute ins Team holen können, damit wieder neue Energie und frischer Wind reinkommen und vor allem, um die Nähe zur Zielgruppe nicht zu verlieren. Grosse Neuerungen in dem Sinne sind nicht geplant, denn wir sehen uns nicht als Kuratoren, bzw. Gestalter des Festivals, sondern als „Ermöglicher“. In erster Linie ist es unsere Aufgabe, das Festival immer wieder stattfinden zu lassen. Diese Nachhaltigkeit ist uns ein grosses Anliegen.
Alain: Nur alleine schon den bestehenden Rahmen für das Festival zu gewährleisten, bedeutet einen enormen Aufwand an Zeit und Ressourcen. Deshalb wollen wir das Festival in seiner jetzigen Form nicht völlig auf den Kopf stellen, sondern versuchen, Bewährtes beizubehalten und zu optimieren. Unser Ziel ist es, nie aufzuhören, uns selbst kritisch zu hinterfragen und dadurch zu garantieren, dass das JKF stets die bestmögliche Wirkung auf die Region und die jungen Leute erzielen kann.




Wie wär’s mal mit...
Alain: ...dass die Stadt Basel weiterhin den Mut und die Offenheit behält, das JKF und andere kulturelle Veranstaltungen stattfinden zu lassen.
Carole: ...20 weitere Jahre JKF!




Wir danken Carole und Alain für das Interview und freuen uns, am diesjährigen JKF mit den beiden das junge Erwachsensein und das erwachsene Jungsein zu feiern.


_
von Catherine Iselin
am 21.08.2017

Fotos
Niels Franke für Wie wär's mal mit

Wer die Bilder weiterverwenden möchte, muss sich die Rechte bei Wie wär's mal mit einholen.
Über uns ︎

Menschen
Alltag
Kultur
Schweiz

Impressum

Wie wär’s mal mit
c/o Ana Brankovic
Giessliweg 81
4057 Basel
Schweiz
wiewaersmalmit@gmail.com

Unterstützen ︎

Vereinskonto
CH50 0029 2292 1353 60M1 L