«Junges Theater Basel»: Im Gespräch mit Uwe Heinrich


Theaterpädagoge Uwe Heinrich gab uns spannende Einblicke hinter die Kulissen von «Junges Theater Basel» und erzählt uns unter anderem, weshalb das Theater keine Einbahnstrasse ist.


Hallo Uwe! Beschreibe dich in 3 Worten.
Boah! Das könnte jede*r besser als ich selbst. Ich halte mich doch für viel komplexer, als dass 3 Wörter reichen könnten. Mein Versuch liest sich darum eher wie eine To-do- Liste und dazu noch alles irgendwie im Zustand unterwegs. Also eher eine wortreiche Reisebeschreibung als die Benennung fester Ziele:
– aufmerksam bis nervös
– ungeduldig, aber meistens gewissenhaft
– verbindlich, aber selten stur
– neugierig, aber trotzdem schnell gelangweilt
– streng, am meisten zu mir selbst
– grosszügig, wenngleich eher geizig zu mir selbst
– wertschätzend, aber eher heimlich
– treu – wer oder was über die Schwelle meines Herzens oder Hauses gelangt, kann ziemlich sicher sein, von mir nicht wieder rausgeschmissen zu werden


«Junges Theater Basel» – wie kamst du dazu, was machst du da und was hast du davor gemacht?
Noch ganz neu in Basel war ich als Besucher im jungen Theater völlig überrascht, welche besondere Lebendigkeit diese unausgebildeten Spieler*innen auf die Bühne bringen. Theater für Jugendliche hatte ich bisher oft als leicht peinlich empfunden. Das Base-Cap umdrehen und mit lockerem Gang über die Bühne schlurfen, macht aus Mitte zwanzigjährigen Schauspieler*innen keine glaubhaften jugendlichen Figuren. Dass viele jugendliche Spieler*innen jugendliche Figuren schon nach dem Besuch eines Theaterkurses glaubhafter spielen können als ihre professionellen Kolleg*innen hat mich letztlich bewogen, am «Jungen Theater Basel» anzufangen. Ein Theater, welches Jugendliche so ernst nimmt, kannte ich aus meiner bisherigen Arbeit in Deutschland nicht. Als Theaterpädagoge wollte und will ich Jugendliche auf dem Weg zu solch professionellen Produktionen begleiten.


Welche Werte in Sachen Kultur und Kunst in der Schweiz vertrittst du?
Ich betrachte Kunst als den besten Anlass, um mit mir selbst oder anderen in Kontakt zu treten. Ich lasse mich darum gern irritieren. Je rätselhafter, umso mehr muss ich mich anstrengen und das aktiviert meine Fantasie. Ehrlich gesagt, gehe ich darum fast lieber in Ausstellungen, da gibt es immer viel zu tun für mich. Im «Jungen Theater Basel» sollten die Irritationen allerdings nicht zu krass ausfallen, denn die Besucher*innen dieses Hauses haben weniger Seherfahrungen und glauben oft noch, dass sie etwas «verstehen müssen». Darüber bin ich schon eine Weile hinaus und versuche, jüngeren Besucher*innen diese Befürchtung zu nehmen und Lust auf die eigenen Gedanken zu machen.


Was bedeutet Theater für dich heute im 2023, wie haben sich der Begriff und die Wahrnehmung geändert?
Theater im Jahre 2023 wird genau wie alle Theater seit ihrer Entstehung darum bemüht sein, den aktuellen Diskurs anzuregen, zu reflektieren, zu kommentieren und die Diskussion zwischen Individuen und der Gesellschaft anzuregen. Als Leiter des «Jungen Theater Basels» habe ich eine diebische Freude daran, dass Jugendliche nach dem Besuch der Vorstellungen oft verwundert feststellen, dass Theater doch nicht so schlimm wie erwartet ist, ja sogar etwas bei ihnen auslösen kann – aber das ist dann schon etwas sehr Tolles. Ich finde es schon grossartig, wenn Theater überhaupt zugelassen wird. So ne Einbahnstrassen-Veranstaltung ist nicht zeitgemäss. Alle haben doch eigentlich zu allem etwas zu sagen und das geht im Theater ja erst mal nicht. da Kann ich als Besucher*in nur im Kopf mitspielen und ob dieses Mitspiel gelingt, hängt natürlich auch davon ab, welche Angebote zum Aktivwerden gemacht werden, was sie mit den Leuten und der Zeit zu tun haben.

Wenn das «Junge Theater Basel» ein Tier wäre, welches wäre es und weshalb?
Das «Junge Theater Basel» wäre wohl irgendwas Fluides zwischen einem Einhorn und einem Brauereipferd: versponnen und leistungsfähig.



Dein persönliches Highlight beim «Jungen Theater Basel»?
Das ist eine gemeine Frage. Ich bin dem Jetzt verpflichtet, aber das jetztige Jetzt zu benennen, wäre ungerecht allen vergangenen Jetzt gegenüber. Ich habe da keinen Abstand, um das absolute «Highlight» zu erkennen. Vielmehr ist das Leben am «Jungen Theater Basel» immer gut beleuchtet. Aber selbst wenn eine Premiere besonders gelingt, verblasst das Leuchten der dazugehörigen Premierenparty schnell, wenn nicht viele gelungene Vorstellungen danach folgen. Aber zum Glück gibt es immer ein neues Jetzt.

Wo in Basel hältst du dich am liebsten auf?
Das «Rheinboard» zu benennen ist wenig originell, aber es gibt keinen besseren Ort in der Stadt, um mit Verabredungen jeglicher Art unterwegs zu sein. Und da kein Gespräch zu Ende ist, bevor man im Hafen ist, kann man sich sogar einreden, an einem Freiraum vorbeizuspazieren.


Wovon braucht die Schweiz mehr, wovon weniger?
Der Schweiz stünde es gut zu Gesicht, die unglaublichen Ressourcen gerechter zu verteilen, gewissermassen von vielen Worten zu vielen Taten zu gelangen.

Wie wär’s mal mit...
...ein paar eigenen Schritten auf die Bühne? Es muss ja nicht gleich jemand zuschauen. In Theaterkursen kannst du ausprobieren, wie es dir damit geht, zu spielen.


Vielen Dank, Uwe, für die inspirierenden Worte und den Einblick ins «Junge Theater Basel».


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von Ana Brankovic
am 29.05.2023

Fotos
© Lucie Anderrüti für Wie wär's mal mit


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