«Kein Museum» Zürich: Im Gespräch mit Cristiana Stella

Immer unterwegs und in viele spannende Projekte verwickelt – Cristiana Stella prägt die Kulturlandschaft Zürichs an verschiedenen Orten mit. Ihre Motivation und Energie holt sie sich aus der gegenseitigen Unterstützung der Communities und wünscht sich einen noch stärkeren Zusammenhalt. Im Folgenden lernen wir sie ein bisschen besser kennen und erfahren, was und wer alles hinter dem «Kein Museum» steckt und weshalb es mehr Frauen hinter den DJ-Pulten des Zürcher Nachtlebens braucht.

Liebe Stella, wer bist du und was machst du so?
Ich arbeite gerade im Schauspielhaus Zürich im Bereich Marketing und Social Media. Nebenbei bin ich aber immer in vielen Projekten eingebunden. 2018 habe ich zusammen mit Freundinnen das «Kein Museum» gegründet. Gerade eben war ich noch an einer Sitzung der Zentralwäscherei. Die grosse Fabrikhalle wurde im letzten Jahr für Projekte ausgeschrieben und vom «Dynamo» als Zwischennutzung freigegeben. Ein riesiges Kollektiv aus Partyorganisator*innen, Stadtentwickler*innen, Architekt*innen und Künstler*innen hat sich diesem Projekt angenommen und wir sind alle sehr gespannt, was sich in dieser grossen Halle alles ergeben wird. Sonst bin ich auch noch bei kleineren Projekten passiv dabei, wie zum Beispiel dem Telegram Gruppenchat «F96», bei dem etwa 200 Frauen dabei sind. Und wann immer es eine Veranstaltung oder sonst etwas gibt, für die man noch engagierte Leute sucht, kann man dort erstmal fragen und meistens finden sich dann gleich ein paar motivierte Frauen. Es klingt eigentlich super simpel und ist auf der Basis von Skill-Sharing aufgebaut. Zudem habe ich gerade einen DJ-Workshop im «Sender» auf die Beine gestellt.


Was steckt hinter diesem DJ-Workshop?
Wir haben bereits mit «Kein Museum» Veranstaltungen organisiert und ich arbeite nebenbei noch im «Kauz» und liebe das Nachtleben in Zürich. Seitdem ich im Nachtleben tätig bin, hatte ich fast ausschliesslich mit Männern zu tun: Clubbesitzer, DJs, Programmleiter –  eine reine Männerdomäne. Mir war das vorher nie wirklich bewusst, bis ich gesehen habe, dass am Wochenende oft keine einzige Frau auflegt. Ich kenne aber eigentlich einige Frauen, die auflegen, weshalb die Ausrede, es gäbe keine weiblichen* DJs, nicht zählt. Also habe ich die Frauen, die ich kenne, zusammengetrommelt und im «Sender» mit diesem DJ-Workshop begonnen. Jeweils mittwochs können alle Frauen, aber auch Männer, vorbeikommen, an ihren DJ-Fähigkeiten feilen und von den Teachers vor Ort lernen. Mich hat es selbst dann auch gepackt, es macht so viel Spass!


Wer gehört zum «Kein Museum» Team und wie hat das Ganze begonnen?
Ursprünglich waren wir zu sechst: Carla, Lara, Lara, Alessa, Julie und ich. Mittlerweile ist Alessa weitergezogen und hinzugekommen sind Dori, Nicole und Isabella und nun sind wir neun Leute im Team. Wir sind aber total offen! Sobald jemand eine tolle Idee hat, ist er oder sie herzlich eingeladen diese mit uns umzusetzen. Wir haben uns alle an der Universität Zürich über das Fach Kunstgeschichte kennengelernt. Es war dann zu einer Zeit, als ich gerade kaum beschäftigt war und ich wusste, dass irgendetwas Neues auf mich zukommen wird. Ich spüre das irgendwie immer. Über Carla habe ich erfahren, dass dieser Raum an der Mutschellenstrasse frei wird und dann haben wir den Mietvertrag unterschrieben und uns die anderen Girls ins Team geholt und seither läuft das Ganze. Und eigentlich im Moment auch besser denn je.


Kannst du mir ein bisschen mehr über das «Kein Museum» erzählen?
Der Standort ist etwas schwierig, aber zu den Veranstaltungen kommen immer viele Leute und wir konnten von Anfang an eine recht grosse Community generieren. Bei uns geht es darum, den Raum mit interessierten Kulturschaffenden zu teilen, weil wir das Glück hatten diesen Raum zu bekommen. Wir wollen so viele Leute wie möglich kennenlernen, die bereit sind, gemeinsam mit uns in ihrer Freizeit ihre Leidenschaft zu teilen. Es geht uns sehr stark darum, eine Community aufzubauen. Die ersten paar Veranstaltungen haben wir noch selbst kuratiert, danach kamen eigentlich immer genug Anfragen von interessierten Aussenstehenden, ein Projekt umzusetzen. Den einen haben wir den Raum zur Verfügung gestellt, mit den anderen haben wir gemeinsam an den Projekten gearbeitet. Die Zusammenarbeit hat sich immer individuell eingestellt. Wir versuchen schon seit einem Jahr finanzielle Unterstützung für das «Kein Museum» zu finden und bisher hat es nicht geklappt. Bei der Anfrage auf Finanzierungshilfe bekommt man manchmal nicht mal eine richtige Absage. Beim Austausch mit anderen Offspaces wurde mir auch gesagt, dass sich manche die ersten drei Jahre komplett selbst finanzieren mussten. Wir zahlen bisher auch fast alles selbst und haben nur wenig Einkommen über die Bar oder über Gönner*innen. Wir haben mittlerweile etwa 30 Veranstaltungen im «Kein Museum» realisiert. Das Thema Finanzierung frisst aber gerade sehr viel Zeit, was schade ist, da dadurch unsere Kreativität etwas kürzertreten muss. Mittlerweile bin ich aber auch sehr froh, ein Hobby zu haben, das meine Leidenschaft ist und mit dem ich kein Geld verdienen muss. Alle meine Projekte fliessen irgendwie zu einem grossen Ganzen zusammen.


Welche Zukunftswünsche hast du für das «Kein Museum»?
Es wäre wirklich cool, wenn wir uns nicht mehr selbst finanzieren müssten. Das ist sicherlich das erste Ziel, das wir anstreben. Ansonsten bleiben wir einfach offen und schauen, was auf uns zukommt. Bei uns entwickelt sich das Leben gerade sehr schnell weiter und darauf wollen wir auch reagieren können. Es stellt sich immer die Frage, wieviel Freizeit man noch hat und wie sehr man diese ins «Kein Museum» investieren möchte. Ein weiteres Ziel besteht darin, dass wir alle ein wenig reduzieren, da schon immer sehr viel los ist. Zudem möchten wir auch mal längere Projekte realisieren, denn die meisten Projekte bisher gingen bloss zwei Tage. Eine weitere Idee ist es, mehr in die Stadt hinein zu ziehen. Aber konkrete Pläne gibt es noch nicht. Es ist auch schön, wenn neue motivierte Leute hinzukommen würden, dafür sind wir auch immer offen.


Wenn es morgen etwas vom Himmel regnen könnte, was wäre das?
Gummibären-Pfirsichringe.

Welches sind deine Lieblingsorte in Zürich?
Der «Sender» ist mein absoluter Favorit, da fühlt man sich einfach immer wohl und das Team ist super toll. Das «Kauz»  mag ich auch ganz ganz fest, auch dort gibt es das beste Team ever. Und meinen Kaffee trinke ich sehr gern in der Mensa vom Schauspielhaus. Du denkst, das muss ich jetzt sagen, aber es gibt dort wirklich guten Kaffee und feines Essen.

Was fehlt noch in der Zürcher Kulturlandschaft?
Eigentlich nichts, denn es ist ein viel zu grosses Überangebot vorhanden. Ich weiss am Wochenende gar nicht wohin ich gehen soll, weil so viele Veranstaltungen von Freunden laufen. Was mir aber fehlt, ist der Zusammenhalt von allen. Jeder macht so sein eigenes Ding drehen und die Projekte sind auch alle super spannend, aber es wäre schön, wenn man sich gegenseitig noch mehr unterstützen würde und kein Egoding durchzieht. Deshalb macht es in der «Zentralwäscherei» auch so viel Spass, denn dort treffen so viele Kollektive aufeinander. Da kommt es dann gar nicht mehr darauf an, wer man ist oder von welchem Kollektiv, sondern nur die Energie, Motivation und tolle Ideen zählen.

Wie wär’s mal mit...
...Sommer?



Vielen Dank für die Einblicke in die Zürcher Kulturlandschaft und dein aktives Mitmischen, liebe Stella. Über das «Kein Museum» könnt ihr euch hier informieren. Kunstwerk: Dania Michel, Zweige dienten der Tarnung, 2020.


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von Laura Schläpfer
am 25.05.2020


Fotos
© Monir Salihi für Wie wär's mal mit



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