Kiosk Allschwilerplatz: Im Gespräch mit Niklaus Fäh


An der Tramhaltestelle am Allschwilerplatz hat es einen Kiosk. Doch anstelle der Bravo, Mentos oder Zigaretten wird da Gemüse und Obst verkauft. Seit 2020 steht Niklaus Fäh hinter dem Tresen und bringt saisonales und regionales Gemüse an die Menschen im Quartier. Wer er ist und was hinter den Ladenrollos steckt wollten wir herausfinden.


Nik, wer bist du? Wie stellst du dich vor?
Ich bin eigentlich ein Gemüsekiosk Betreiber, hier vom Gemüsekiosk auf dem Allschwilerplatz. Wir hatten gerade vor zwei Wochen ein Treffen hier im Quartier, mit den Anwohner*innen die ebenfalls ein Interesse haben, dass der Kiosk hier bestehen bleibt. Dafür habe ich mich natürlich vorbereitet und als ich mich da vorgestellt habe, habe ich gesagt, dass ich eigentlich Dienstleister bin – Dienstleister fürs Quartier.

Am Kiosk verkauft ihr auch Essen und Trinken, siehst du dich entsprechend auch als Gastronom?
Gastronom weiss ich nicht, aber Gastgeber, ja, das bin ich. Ob jetzt jemand einen Kaffee trinken kommt oder Erdbeeren kaufen kommt, in dem Moment sind wir Gastgeber. Aber für Gastronomie, so hochgestochen sehen wir uns nicht. Obwohl wir mit der Freitags-Küche schon was auf die Beine gestellt haben.
Am Freitag haben wir ein drei Gänge-Menü mit hausgemachtem Hummus und Salat, halt immer saisonal aber nicht hochgestochen. Das schöne ist es doch Gastgeber zu sein, die Gäste zu informieren, von wo was kommt – die Erdbeeren kommen etwa vom Hansruedi oder die Spargeln von der Daniela, also das ist einfach etwas sehr Spezielles.



Wie ist es dazu gekommen, dass du diesen Kiosk betreibst?
Ich bin noch 50% im internationalen Uhrengeschäft tätig. Ich hatte vorher gerade noch einen Call mit Timberland. Auf der einen Seite produzieren wir [Timberland] Uhren und Schmuck [Nik zeigt auf das Logo auf seinem Pullover und sein Armband mit einer Gravur, er liest vor:] «Leave only Footprints» – naja, das ist so ein bisschen Timberland. Ich bin jetzt seit 30 Jahre im Uhrengeschäft tätig und habe dann ab 2015 stückweise reduziert. Ich werde Ende Monat 60 und dachte: so als Arbeitnehmer bin ich schon bald nicht mehr so gefragt und so bin ich in die Fussreflextherapie gekommen. In der Ausbildung hatte es ein Modul über gesunde Ernährung, welches ich enorm interessant fand und ich dachte ja auch schon immer: eine gesunde Ernährung ist die beste Medizin!
Dann ist Covid gekommen und der Kiosk auf dem Allschwilerplatz ist da bereits zwei Jahre leer gestanden. Schon immer dachte ich mir, dass das eine mega tolle Location ist. Ich meine: ich komme ja von der Wirtschaft und an dieser Tramhaltestelle hat man einfach unglaublich viel Frequenz. Während der Kurzarbeit dachte ich mich endlich, dass das doch eine Möglichkeit wäre, um etwas zu machen. Ich habe auch vorher schon immer wieder mal was gesucht, fand es aber immer zu risikobehaftet. Eigentlich hatte ich immer Angst.
Während der Pandemie bin ich öfters wieder raus zu den Höfen direkt die Produkte holen gegangen. Im Gespräch erzählte mir eine Bäuerin, wie sie kleine Dorfläden in der Umgebung beliefert und da ist es passiert: an einem Samstagmorgen bin ich also nach Hause gekommen und traf meine Partnerin zusammen mit einer Freundin beim Kaffee an und da meinte ich: «weisst du was, wir machen einen Gemüsekiosk!» Sechs Wochen später haben wir diesen Kiosk aufgemacht.
Als wir das erste Mal die Rollläden des Kiosks öffneten, stürmten die Menschen zu uns und meinten: «Oh was macht ihr? Oh, geht der Kiosk wieder auf?» Vom Balkon haben sie runter gerufen: «Ah was? Geht der Kiosk wieder auf? Hey, was macht ihr, ich komme auch!» Es war extrem speziell dieser 25. August 2020. In diesen ersten drei Wochen habe ich mehr Wertschätzung erlebt als in meinen 30 Jahren im Uhrengeschäft. Und so hat sich das eigentlich ergeben. Ja, du siehst, es ist eine etwas längere Geschichte.



In deinen Jobs hast du sehr starke Kontraste – internationales Uhrengeschäft und lokaler Gemüsekiosk, wie beeinflussen sich diese gegenseitig?
Sie beeinflussen sich schon stark. Vom Geschäftlichen habe ich natürlich eine Know-how, jetzt hier am Kiosk handelt es sich halt einfach um Himbeeren statt um Uhren. Das vom Internationalen kann ich hier auf das Lokale übertragen: vom Umgang mit dem Sortiment bis zur Dienstleistung. Ich denke es hat vieles miteinander zu tun und bringt eine gute Balance. Manchmal kann es passieren, dass ich etwa eine Mail schreibe für die Rechtsabteilung in Dubai und gleichzeitig kommt jemand und kauft ein Brot und Erdbeeren. Ja, die Gegensätze sind gross, aber auch schön.


Du bist lokal im Quartier engagiert und legst Wert auf regionale, saisonale Produkte, was ist dir sonst noch wichtig für den Kiosk?
Ursprung war der Aspekt der Gesundheit. Wir holen am Morgen die frischen Sachen und bringen die hier her und wer davon profitieren möchte soll, und wer nicht, nicht. Und dann kam die Begegnung und die Begrünung – der Stadtgarten. Aber ganz wichtig, für eigentlich alles in meinem Leben, war immer die Freude. Wenn du etwas mit Freude machst, dann wird es und ist es toll. Am Anfang kam mir der Kiosk auch vor wie ein Verkaufslädeli wo man als Kind damit spielte, irgendwie ist es ja immer noch so. Ich bin bald 60 und habe noch immer Freude daran. Wenn du jemandem etwas schenken möchtest, schenke Freude. Am Kiosk passiert mir das 100-mal am Tag. Die Leute können sich freuen über die Qualität der Produkte, dass sie jemanden treffen, den sie schon lange nicht mehr gesehen haben, an der Ästhetik, den Farben: eine Gurke neben einem Brot.

...also etwas sehr Sinnliches auch?
Absolut!


Ihr holt eure Produkte an verschiedenen Orten, wie bist du zu diesen Kontakten gekommen?
Der «Haupt-Bauernhof» ist der Maiehof. Bei ihm habe ich in den Jahren zuvor immer schon auf dem Markt eingekauft. Ich fand seine Produkte einfach immer super, also habe ich ihn sehr bald mal angefragt. Das andere ist auch eine schöne Geschichte. Der Haunsruedi ist der Bauer von den Brunner Beeren und seine Mutter und meine Mutter hatten sich gekannt. Das Mami vom Hansruedi ist damals am Morgen früh jeweils mit einer Schubkarre voller frischem Gemüse von Therwil nach Basel gelaufen und meine Mutter, vor ca. 60 Jahren muss das gewesen sein, hat von ihr das Gemüse gekauft. Diese Geschichte von unseren Müttern fand ich so schön, dass ich ihn einfach anfragte. Ich meine, ich habe ihn nicht gut gekannt aber habe mich so gut an diese Geschichte erinnert.
Sonst bin ich einfach auf die Leute zugegangen und am Anfang dachten halt die meisten, was für ein komischer Spinner ich sei.


Wie viele Menschen seid ihr im Team?
Ich bin am Freitag und Samstag hier vor Ort. Mittwoch und Donnerstag ist Daniel, Heike und Margarethe da. Dann gibt es noch René, meinen Kollegen, mit dem ich vor 45 Jahren gemeinsam von der Handelsschule geflogen bin.

...immerhin nicht alleine?
Ja, wahrscheinlich wenn wir nicht gemeinsam unterwegs gewesen wären, wäre ich nicht geflogen aber naja, das ist eine andere Geschichte. Also wir sind fünf und meine Partnerin ist immer wieder eine wichtige Quelle für Ideen. Das Team ist mir sehr wichtig, denn als Einzelperson bist du nie so stark wie in einem Team und dann kommt noch dazu, dass jeder seine Stärken ausüben kann und hier haben wir es wieder, wenn jeder seine Stärken ausspielen kann, ist jeder motiviert und hat Freude.


Nun zu einer sehr wichtigen Frage, wenn du ein Gemüse wärst, welches Gemüse wärst du?
Wirklich, eine sehr wichtige Frage. [Nik schmunzelt.] Von der Schönheit her, was könnte es sein – was ist etwas Schönes? Eine Erdbeere. Sie ist gut sichtbar, hat vielleicht einen gewissen Geltungsdrang.

Hast du denn einen Geltungsdrang?
Also ich glaube schon. Am Anfang ist mal jemand gekommen und meinte: «du bist imfall nur Gemüseverkäufer.» Wahrscheinlich hat er das gemeint, weil ich mit so stolzer Brust hinter dem Tresen stand. Also eine Erdbeere: sie ist fein und die Menschen haben Freude. Aber die Kombination ist mir wichtig, nur eine Erdbeere zu sein ist fast wieder langweilig, aber neben einer Zucchetti, oder einem Salat – das rot und grün in dieser Kombination! Wenn ich den Gästen die Produkte einpacke, muss ich schon oft sagen: «schau mal, dass sieht doch so schön aus.»

...also bist du Verkäufer durch und durch?
Nein, ich finde es dann einfach ästhetisch: eine Kartoffel mit dem Braun und dann dazu eine Aubergine und eine Erdbeere.

Kochst du auch gerne, also vom Gemüse zum Gericht?
Ja, das mach ich schon gerne, wobei ich jetzt nicht so variantenreich bin aber ich finde es schön jemanden zu bekochen, das hat dann ja schon auch wieder etwas mit dem Gastgeberischen zu tun.


Auf Google hat der Kiosk nur fünf-Sterne-Bewertungen, was machen die positiven Rückmeldungen mit dir?
Also für mich ist Dienstleistung das A und O und ist Teil unseres Produktes. Wenn ich sehe, dass wir gutes Feedback bekommen, freut uns das natürlich unglaublich. Letzte Woche war jemand da und meinte, dass die Kirschen, die er gekauft hatte, schlecht waren. Ich war sehr froh, dass er mir das gesagt hat und nicht frustriet uns nicht mehr besuchen kommt. Das kann es halt einfach geben. Er hat dann natürlich ein neues Körbchen Kirschen bekommen – die Qualität ist das wichtigste.

Ihr seid ja ein Kiosk und nicht ein regulärer Laden. Was waren deine ersten Erfahrungen als Kind an einem Kiosk? Was kommt dir dabei in den Sinn?
Carambar! Gibt es das noch?

Natürlich, klebt immer noch überall!
Aber ist immer so fein gewesen. Und sonst hatte ich nicht so eine starke Beziehung zum Kiosk, kennengelernt habe ich den Kiosk dann erst später, durch unseren Gemüsekiosk.
 

Wie wär’s mal mit...
...einem Gemüsekiosk?


Vielen Dank an Niklaus Fäh für das Gespräch.


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von Xena Paloma Stucki
am 16.09.2024

Fotos
© Paula Beck für Wie wär's mal mit

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