Kollektiv «Kraut & Que(e)r»: Im Gesrpäch mit Charly Rapp und Cécile Bettschart
Im Kollektiv «Kraut & Que(e)r» wachsen Kreiskulturen rund um Kräuter, getragen von Schwarmwissen und gemeinschaftlicher Praxis. Im Gespräch mit Charly Rapp und Cécile Bettschart über Kräuter, Spaziergänge und Natur-Kultur-Verbindungen jenseits ausbeuterischer Hierarchien.
![]()
Hallo Zusammen, wer seid ihr?
Wir alle verbringen unfassbar gerne Zeit im Wald – mit Farbstiften, Notizblöcken, Flechtkörben, Erkennungsbüchern, Herbarien oder einfach mit unseren offenen Sinnen. Manchmal halten wir Wesen, die uns auf unseren Erkundungstouren begegnen, durch künstlerische, literarische oder Trocknungsprozesse auf Papier fest.
Manchmal sitzen wir einfach im Grünen, das sich bei genauerer Beobachtung als Vielfalt verschiedenster Kräuter, Pflanzen, Moose, Bäume und Sträucher herausdifferenziert.
Manchmal liegen wir auf einer Lichtung und lauschen dem Wachsen der Halme, dem Rascheln der Blätter und den Echos der Mitwelt in uns. Manchmal behalten wir diese Eindrücke lieber für uns – meistens jedoch teilen wir sie gerne mit anderen Menschen. Dafür möchten wir im Rahmen des Kollektivs «Kraut & Queer» Räume schaffen.
![]()
Was macht das Kollektiv «Kraut & Que(e)r» aus? Und was haben für euch Kräuter mit Queer zu tun?
Bei «Kraut & Que(e)r» geht es darum, sich mit Kräutern aus einer queerfeministischen sowie dekolonialen Perspektive auseinanderzusetzen. Wir wollen Natur-Kultur-Verbindungen schaffen und damit die starren Gegensätze aufbrechen, aus denen sich das kapitalistische, patriarchale System nährt – wie etwa die Trennung von Natur und Kultur, Mann und Frau, Spiritualität und Aktivismus Diesen Dichotomien unterziehen wir einem spielerischen Prozess des Queerings. Dabei entstehen experimentelle Räume, in denen sich scheinbare Gegensätze begegnen dürfen und Bildung neu konzipiert werden kann. Unser Wunsch ist es, dass Beteiligte während Veranstaltungen gleichzeitig Lernende und Lehrende sind und dadurch ein geteiltes Schwarmwissen statt zentralisierter Expertise entsteht. Generell verfolgen wir das Ziel, Kräuterwissen als Werkzeug der Emanzipation und als Beitrag zu mehr Selbstbestimmung insbesondere FLINTA-Personen (wieder) zugänglicher zu machen.
![]()
Was ist euer Background und wie seid ihr dazu gekommen, euch gemeinsam im offenen Raum zu treffen und Kräuter zu vermitteln?
Charly: Ich kann mich noch gut erinnern, wie mir Juls vor etwa zwei Jahren mit leuchtenden Augen erzählte, dass dey nun weiss, was dey im Leben sein möchte: eine Kräuterhexe, inspiriert von Kim de l’Horizon und Starhawk.
Damals stand neben unseren Kaffeetassen bereits ein Strauss aus Wildblumen und Kräutern in einer Vase auf dem bunten Glastisch, von denen ich zu dem Zeitpunkt selbst noch keine einzige der Pflanzen benennen konnte.
Erst durch meine Permakultur- und Wildnispädagogik-Ausbildung durfte ich einen immer intimen Zugang zu den krautigen Wundern und ihrer Vielfältigkeit für mich entdecken. Als ich vor etwa einem Jahr nach Basel zog, fand ich meine Begeisterung für Wildkräuter in meiner Mitbewohnerin Cécile gespiegelt, die sich seit Kindheit für alles Krautige interessierte.Gemeinsam begannen wir, Kräuterspaziergänge erst für Bezugspersonen, später für breite Kreise im Allschwiler Wald anzubieten – und dann im 2025, mitsamt Juls, Salben, Tinkturen und Kunst im Container von «Wie wär’s mal mit» zu kreieren.
![]()
Was inspiriert euch in eurem Alltag jenseits von Wildpflanzen?
Cécile: Ich studiere Archäologie und befasse mich grundsätzlich mit unserer Entwicklung und allgemein dem Menschwerden. Wie haben wir uns früher, als noch keinerlei Technologie vorhanden war, mit der Natur und dem, was uns umgab, auseinandergesetzt? Wie haben wir damals unsere Umgebung wahrgenommen und gespürt? Warum ist vieles davon in Vergessenheit geraten?
Charly: Mich interessiert vieles. Gewaltfreie Kommunikation (GFK), vor allem nach Miki Kashtan und Roxy Manning.
Critical Race und Queer Theory. Experimente der Dekolonialisierung von Liebe. Alternative Formen des Zusammenlebens. Ritualarbeit mit Fokus auf Trauer, inspiriert von Sobonfu sowie Malidoma Somé. Regenerative Landwirtschaft. Queere Ökologie. Fermentationsprozesse. Die Bücher von Robin Wall Kimmerer. Soziokratie.
![]()
An welchen Orten in Basel spürt ihr euch besonders wohl und weshalb?
Cécile: In meiner WG, wo eine solche Vielfalt an Menschen lebt, wie ich es bisher in meinem Leben noch selten erleben durfte. Das Schönste ist, dass jede Person individuell ihren Platz findet trotz der Unterschiede, weil wir ja alle doch ganz anders sind und somit wieder alle gleich, und es das Leben einfach bunter und schöner macht, aufeinander zu hören und einzugehen, statt gegeneinander zu kämpfen. Ich war auch ganz lange in der Pfadi und bin geritten und habe da auch sehr viel Liebe für die Natur und all ihre wundersamen Arten, zusammenzuleben, mitgenommen.
![]()
Charly: Abgesehen vom Allschwiler Wald bin ich unfassbar gerne auf den Feldern der Gemüsekooperative Plankton an der Grenze zu Riehen. Fast wöchentlich ernte ich dort mein Gemüse – und im metaphorischen Sinne so viel an Erdung, Verbindung zu den Jahreszeiten, Wissen über Regeneration und Begegnungen mit queeren Pflanzen sowie Menschen.
Ich fühle mich so richtig angekommen, wenn ich vor allem im Sommer barfuss über die frisch gemähte Wiese springe – mit dem Duft von Heu in der Nase, dem Blick auf die gläsernen Türme der Stadt im Hintergrund und dem aufgekratzten Gelächter der kreisenden Krähen im Ohr.
![]()
Wie wär’s mal mit...
Charly: … einem Raum, in dem wir unsere Trauer weinen, unser Glück lachen, unsere Wut herausschreien und unsere Emotionen befreien können, um uns und die Erde zu heilen.
Cécile: ...dass all unsere Wünsche einfach in Erfüllung gehen?
Vielen Dank an Charly und Cécile Selina für die spannenden Einblicke in ihre Leben.
_
von Ana Brankovic
am 23.06.2025
Fotos
© Ana Brankovic für Wie wär's mal mit
Wer die Bilder weiterverwenden möchte, muss sich die Rechte bei Wie wär’s mal mit einholen.
Hallo Zusammen, wer seid ihr?
Wir alle verbringen unfassbar gerne Zeit im Wald – mit Farbstiften, Notizblöcken, Flechtkörben, Erkennungsbüchern, Herbarien oder einfach mit unseren offenen Sinnen. Manchmal halten wir Wesen, die uns auf unseren Erkundungstouren begegnen, durch künstlerische, literarische oder Trocknungsprozesse auf Papier fest.
Manchmal sitzen wir einfach im Grünen, das sich bei genauerer Beobachtung als Vielfalt verschiedenster Kräuter, Pflanzen, Moose, Bäume und Sträucher herausdifferenziert.
Manchmal liegen wir auf einer Lichtung und lauschen dem Wachsen der Halme, dem Rascheln der Blätter und den Echos der Mitwelt in uns. Manchmal behalten wir diese Eindrücke lieber für uns – meistens jedoch teilen wir sie gerne mit anderen Menschen. Dafür möchten wir im Rahmen des Kollektivs «Kraut & Queer» Räume schaffen.
Was macht das Kollektiv «Kraut & Que(e)r» aus? Und was haben für euch Kräuter mit Queer zu tun?
Bei «Kraut & Que(e)r» geht es darum, sich mit Kräutern aus einer queerfeministischen sowie dekolonialen Perspektive auseinanderzusetzen. Wir wollen Natur-Kultur-Verbindungen schaffen und damit die starren Gegensätze aufbrechen, aus denen sich das kapitalistische, patriarchale System nährt – wie etwa die Trennung von Natur und Kultur, Mann und Frau, Spiritualität und Aktivismus Diesen Dichotomien unterziehen wir einem spielerischen Prozess des Queerings. Dabei entstehen experimentelle Räume, in denen sich scheinbare Gegensätze begegnen dürfen und Bildung neu konzipiert werden kann. Unser Wunsch ist es, dass Beteiligte während Veranstaltungen gleichzeitig Lernende und Lehrende sind und dadurch ein geteiltes Schwarmwissen statt zentralisierter Expertise entsteht. Generell verfolgen wir das Ziel, Kräuterwissen als Werkzeug der Emanzipation und als Beitrag zu mehr Selbstbestimmung insbesondere FLINTA-Personen (wieder) zugänglicher zu machen.
Was ist euer Background und wie seid ihr dazu gekommen, euch gemeinsam im offenen Raum zu treffen und Kräuter zu vermitteln?
Charly: Ich kann mich noch gut erinnern, wie mir Juls vor etwa zwei Jahren mit leuchtenden Augen erzählte, dass dey nun weiss, was dey im Leben sein möchte: eine Kräuterhexe, inspiriert von Kim de l’Horizon und Starhawk.
Damals stand neben unseren Kaffeetassen bereits ein Strauss aus Wildblumen und Kräutern in einer Vase auf dem bunten Glastisch, von denen ich zu dem Zeitpunkt selbst noch keine einzige der Pflanzen benennen konnte.
Erst durch meine Permakultur- und Wildnispädagogik-Ausbildung durfte ich einen immer intimen Zugang zu den krautigen Wundern und ihrer Vielfältigkeit für mich entdecken. Als ich vor etwa einem Jahr nach Basel zog, fand ich meine Begeisterung für Wildkräuter in meiner Mitbewohnerin Cécile gespiegelt, die sich seit Kindheit für alles Krautige interessierte.Gemeinsam begannen wir, Kräuterspaziergänge erst für Bezugspersonen, später für breite Kreise im Allschwiler Wald anzubieten – und dann im 2025, mitsamt Juls, Salben, Tinkturen und Kunst im Container von «Wie wär’s mal mit» zu kreieren.
Was inspiriert euch in eurem Alltag jenseits von Wildpflanzen?
Cécile: Ich studiere Archäologie und befasse mich grundsätzlich mit unserer Entwicklung und allgemein dem Menschwerden. Wie haben wir uns früher, als noch keinerlei Technologie vorhanden war, mit der Natur und dem, was uns umgab, auseinandergesetzt? Wie haben wir damals unsere Umgebung wahrgenommen und gespürt? Warum ist vieles davon in Vergessenheit geraten?
Charly: Mich interessiert vieles. Gewaltfreie Kommunikation (GFK), vor allem nach Miki Kashtan und Roxy Manning.
Critical Race und Queer Theory. Experimente der Dekolonialisierung von Liebe. Alternative Formen des Zusammenlebens. Ritualarbeit mit Fokus auf Trauer, inspiriert von Sobonfu sowie Malidoma Somé. Regenerative Landwirtschaft. Queere Ökologie. Fermentationsprozesse. Die Bücher von Robin Wall Kimmerer. Soziokratie.
An welchen Orten in Basel spürt ihr euch besonders wohl und weshalb?
Cécile: In meiner WG, wo eine solche Vielfalt an Menschen lebt, wie ich es bisher in meinem Leben noch selten erleben durfte. Das Schönste ist, dass jede Person individuell ihren Platz findet trotz der Unterschiede, weil wir ja alle doch ganz anders sind und somit wieder alle gleich, und es das Leben einfach bunter und schöner macht, aufeinander zu hören und einzugehen, statt gegeneinander zu kämpfen. Ich war auch ganz lange in der Pfadi und bin geritten und habe da auch sehr viel Liebe für die Natur und all ihre wundersamen Arten, zusammenzuleben, mitgenommen.
Charly: Abgesehen vom Allschwiler Wald bin ich unfassbar gerne auf den Feldern der Gemüsekooperative Plankton an der Grenze zu Riehen. Fast wöchentlich ernte ich dort mein Gemüse – und im metaphorischen Sinne so viel an Erdung, Verbindung zu den Jahreszeiten, Wissen über Regeneration und Begegnungen mit queeren Pflanzen sowie Menschen.
Ich fühle mich so richtig angekommen, wenn ich vor allem im Sommer barfuss über die frisch gemähte Wiese springe – mit dem Duft von Heu in der Nase, dem Blick auf die gläsernen Türme der Stadt im Hintergrund und dem aufgekratzten Gelächter der kreisenden Krähen im Ohr.
Wie wär’s mal mit...
Charly: … einem Raum, in dem wir unsere Trauer weinen, unser Glück lachen, unsere Wut herausschreien und unsere Emotionen befreien können, um uns und die Erde zu heilen.
Cécile: ...dass all unsere Wünsche einfach in Erfüllung gehen?
Vielen Dank an Charly und Cécile Selina für die spannenden Einblicke in ihre Leben.
_
von Ana Brankovic
am 23.06.2025
Fotos
© Ana Brankovic für Wie wär's mal mit
Wer die Bilder weiterverwenden möchte, muss sich die Rechte bei Wie wär’s mal mit einholen.