«Kollektiv LITER» Basel: Im Gespräch mit Caterina John, Nina Hurni und Sina Aebischer

Im Gespräch mit dem «Kollektiv LITER», bestehend aus Caterina John, Nina Hurni und Sina Aebischer tauchen wir ein in ein Schreiben, das fliesst, sich vermischt und neu formt. Drei Stimmen, die gemeinsam Wörter verhandeln, Grenzen auflösen und im Prozess kollektiver Kreativität Halt finden. Wir sprechen über Mut, Wandel und die Kunst, gemeinsam zu schreiben, ohne zu wissen, wem ein Satz eigentlich gehört.


Hallo Caterina John, Nina Hurni und Sina Aebischer. Beschreibt euch jeweils gegenseitig in Drei Worten.
Caterina: abgebrüht, wortreich, krass
Nina: kreativ, schelmisch, abenteuerlustig
Sina: sprudelnd, geheimniskrämerisch, grosszügig

«Kollektiv LITER» – weshalb der Name und wie kamt ihr zusammen?
Der Name kommt ursprünglich von einem Grafiker-Freund, der eine Idee für ein Literaturmagazin hatte. Wir kennen uns aus Jugendtagen, von der Uni, dem Schreiben. Dass wir irgendwann zusammen etwas machen wollten, war schon lange ein Thema. Die Idee für das Literaturmagazin «LITER», das sich Flüssigkeiten zum Thema nehmen sollte, fanden wir toll. Im Prozess merkten wir dann schnell, dass wir lieber selbst in der schreibenden Rolle sein wollten, als mit Open Calls oder so andere Schreibende zu suchen. Gemeinsam hatten wir den Mut und die Motivation, ein kollektives Schreibprojekt zu beginnen.


Euer «Kollektiv LITER» versteht sich als «flüssig» und sucht die Zwischenräume. Was bedeutet dieses Fliessen für euch konkret im künstlerischen Arbeiten und im Zusammen-Sein als Kollektiv?
Kollektives Schreiben – oder auch allgemeiner: Arbeiten – an sich nehmen wir als subversiv und queer wahr. Es ist eine Form von Kunst und besonders Literatur, die in der sogenannten Hochkultur, im Feuilleton, im allgemeinen Literaturdiskurs kaum behandelt wird. Sie widerspricht dem Bild des männlichen, weissen Autorengenies. Das finden wir politisch. Und empowernd. Im Sich-Verflüssigen, Zwischenräume suchen und da Raum schaffen und einnehmen fühlen wir uns bestärkt, eigene Stimmen zu finden und zu schreiben. Das Fliessen im Schreiben zeigt sich, wenn wir gegenseitig Sätze ergänzen oder sich unsere Ideen vermischen, bis unklar ist, wer dem Text was genau beigesteuert hat.


Flüssigkeit steht oft auch für Verwandlung und Instabilität. Wie geht ihr im kollektiven Prozess mit Veränderung, Reibung oder Auflösung um?
Wir reden drüber. Es gibt keinen Prozess ohne Veränderung. Als wir begonnen haben, zusammen zu schreiben, hatten wir alle etwas Respekt davor, Texte oder Passagen gegenseitig zu ändern, zu ergänzen oder zu löschen. Diese Unsicherheiten mussten wir irgendwann ansprechen, um Wege zu finden, damit umzugehen und eigene Besitzansprüche an einen geschriebenen Satz abzubauen. Wir waren erstaunt, wie schwer uns das fiel. «Das Auflösen der Enden», unser erstes Buch, das im Januar erscheint, wird noch sehr fest in unseren individuellen Stimmen erzählt. Diese wollen wir in einem nächsten Projekt noch mehr verwischen.


Wie prägt eure jeweilige Praxis und Persönlichkeit die gemeinsame Zusammenarbeit?
Wir kennen und ergänzen uns sehr gut und haben auch vor dem Kollektiv häufig zusammen geschrieben, dann aber jeweils an eigenen Texten. In der engen Zusammenarbeit zeigten sich Unterschiede im Arbeiten, die uns vorher weniger bewusst waren. Wir schreiben zum Beispiel nicht alle gleich schnell. Und während es für die eine Person wichtig ist, dass ein Satz von Anfang an gut klingt, ist es bei einer anderen Person vielleicht eher ein schnelles Runterschreiben einer Idee, die später ausgearbeitet wird. Diese Unterschiede sind sehr spannend zu beobachten und beeinflussen sich teilweise auch gegenseitig.

Gibt es Momente im Alltag, in denen ihr merkt, dass euer Denken oder Schreiben plötzlich kollektiv wird, also wo sich eure Stimmen vermischen, auch ausserhalb der künstlerischen Arbeit?
Oft fallen wir in kollektive Begeisterung. Und uns manchmal einander ins Wort.


Wenn ihr nicht gerade an Texten arbeitet: Was nährt euch? Gibt es Rituale, Orte oder Gewohnheiten, die euch verbinden oder unterscheiden?
Uns verbinden viele Wollfäden beim Stricken, gemeinsame Spassgetränke vor dem Hirschi, Rants und Fanmomente.

Nennt Drei Themenbereiche, in welchen ihr euch als Kollektiv verortet.
Körper, Kapitalismus und Frittieröl.


Wenn «LITER» den Aggregatzustand ändern könnte, in welchem Moment würdet ihr gefrieren und wann verdampfen?
Distanz und lange Pausen lassen uns ein wenig einfrieren: Nina wohnt jetzt nicht mehr in Basel, und das nervt uns ein bisschen. Wenn wir lange Zeit nicht zusammen schreiben, müssen wir erst auftauen, bevor wir uns wieder schreibend finden.
Verdampfen tun wir nach einer Schreibsession, wenn unsere Hirne überhitzen und wir draussen in die kalte Luft treten. Oder wenn wir sooo Freude an uns und einem Satz oder Wort haben. Wenn wir uns anschauen und uns einfach mega toll finden.

Ergänzt den Satz: Wie wär’s mal mit...
...weniger etepetete.
...mehr Menschen, mehr Zusammen, mehr Mut. Mehr einfach mal machen.
...weniger Individualismus.
...etwas mehr zerfliessenden Flow.


Vielen Dank an Caterina, Nina und Sina für die spannenden Einblicke in ihr kollektives Schaffen.


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von Ana Brankovic
am 20.10.2025

Fotos
© Soraya Koefer / Kollektiv LITER für Wie wär's mal mit

Wer die Bilder weiterverwenden möchte, muss sich die Rechte bei Wie wär’s mal mit einholen.


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