LOKAL: Esther Lohri im Gespräch

An der Feldbergstrasse eröffnete vor knapp einem Jahr das etwas andere Lebensmittellädeli im Kleinbasel namens LOKAL. Mittlerweile ist es bereits einmal umgezogen und ist nun am Erasmusplatz zu Hause. Die Produkte, die ihr dort findet sind: saisonal, lokal und nachhaltig. Wir trafen Esther Lohri, die Inhaberin und Gründerin für ein Gespräch – über ihre Person, ihre Idee, die Hintergründe und die Umsetzung.


Liebe Esther, wer bist du und warum lebst du in Basel?
Ich komme aus Schaffhausen, wohne aber schon seit 12 Jahren in Basel. Ich bin hierhergekommen um zu studieren, dabei habe ich zwischendurch ein Jahr in Frankreich und Deutschland gelebt. Schlussendlich bin ich hier geblieben, habe Kunstgeschichte und Medienwissenschaften studiert und an der HGK den Master in Visueller Kommunikation und Bildforschung abgeschlossen.

Wir sind durch das Geschäft LOKAL auf dich aufmerksam geworden. Woher hast du den Mut genommen, einen eigenen Laden zu gründen?
Grundsätzlich braucht es viel weniger Mut als man denkt. Ob nun mein Geld auf der Bank liegt oder in Form von Lebensmitteln in meinem Regal steht, macht für mich keinen Unterschied. Im Regal habe ich es sogar lieber. Es ist manifest, ich kann es essen und ich weiss, dass es wirklich da ist.



Wie würdest du dich selber in drei Worten beschreiben?
Bescheiden, skeptisch, empathisch.

Wie bist du auf die Idee gekommen das LOKAL zu eröffnen?
Zwei Ereignisse brachten mich auf die Idee: Das erste war ein Film über das ‚transition movement’. Transition ist eine Bewegung, die vor ca. 20 Jahren in einer Kleinstadt in England entstanden ist. Die Bürger von Totnes haben sich zusammengeschlossen und entschieden, nicht mehr auf die Politik zu warten sondern selber zu handeln. Sie wollten die lokale Wirtschaft stärken und gemeinsam in den Bereichen nachhaltige Energie und Landwirtschaft etwas verändern. Das ’transition movement’ hat klein angefangen und ist mittlerweile ein weltweites Netzwerk mit aktiven Projekten in zahlreichen Ländern. Der Film ist extrem motivierend und fordert zum sofortigen Handeln auf. Der andere Auslöser war mein vorheriger Job. Ich habe zwei Jahre in der Verwaltung der Stadt Basel gearbeitet und war für die Kommunikation des Basler Expo-Auftritts an der Weltausstellung in Mailand unter dem Motto „Feeding the Planet“ zuständig. So habe ich mich während eineinhalb Jahren sehr intensiv mit dem Thema Ernährung auseinandergesetzt. Auch mit dem Ernährungssystem von Basel. Durch diese Erfahrung wurde mir bewusst, was für einen grossen Einfluss die industrielle Lebensmittelproduktion auf die Umwelt hat und dass wir unsere Lebensgrundlage, den Boden und die Atmosphäre, zerstören wenn wir weitermachen wie bisher. Wir fahren Fahrrad, wir sparen Strom, wir recyceln. Aber im Bereich Ernährung gibt es – meiner Meinung nach – noch viel Potential. Auch kann man in diesem Bereich mit wenig Aufwand etwas bewirken und hat einen direkten Einfluss. Denn die Nachfrage bestimmt das Angebot und das sieht man auch in der Praxis.


In einem Kommentar zu einem anderen Artikel über das LOKAL, verurteilte eine Person das LOKAL als Symptom-Bekämpfung. Wie reagierst du darauf?
Darüber kann ich eigentlich nur lachen. Klar, es ist zum Teil eine Bekämpfung von Symptomen, vor allem wenn man an unseren heutigen Lebensstandard in der Schweiz denkt. Trotzdem ist es doch extrem wichtig, dass wir irgendwo anfangen und überhaupt etwas machen. Es geht dabei nicht um eine radikale Umstellung von heute auf morgen – vielmehr durchlaufen wir Schritt für Schritt einen langsamen Prozess. Und das ist auch meine Haltung. Ich lebe nicht plötzlich völlig anders, sondern mit kleinen Schritten passe ich meinen Lebensstil an. Es passiert ganz natürlich und ich fühle mich sehr wohl damit.

Wie ernährst du dich?
Ich ernähre mich von den Produkten, die ich im Laden verkaufe. Saisonal, lokal und so unverarbeitet wie möglich – nicht vegan und nicht vegetarisch. Beim Thema nachhaltige Ernährung gibt es sehr kontroverse Meinungen. Was ist denn nun besser: kauft man Bio vom anderen Ende der Welt oder ernährt man sich von lokalen Nahrungsmitteln, die nicht biologisch sind? Ist meine Ökobilanz besser wenn ich industriell hergestellte vegane Produkte esse oder ab und zu ein Stück Fleisch vom Weiderind? Es gibt sehr viele unterschiedliche Meinungen und Studien dazu, was wirklich umweltschonender ist. Doch in einem Punkt sind sich die meisten einig: wenn du dich saisonal und lokal ernährst, kannst du nicht viel falsch machen und genau diese Philosophie steht hinter dem LOKAL.
Ich möchte Lebensmittel aus der Region Basel anbieten, die keinen weiten Transportweg hinter sich haben und sauber produziert werden – also nachhaltig und unter fairen Arbeitsbedingungen. Das sind auch die Grundpfeiler der Slow Food Bewegung, die sich auf der ganzen Welt für die lokale Lebensmittelerzeugung einsetzt. Von funktionierenden lokalen Kreisläufen, ökologischen und ökonomischen, profitieren alle!




Hast du manchmal Angst, dass dein Konzept nicht funktioniert?
Angst wäre das falsche Wort. Ich zweifle immer mal wieder, da ich mir wirtschaftlich nie überlegt habe, ob die Rechnung aufgeht. Das wurde ich auch sehr oft gefragt: „Hast du einen Businessplan?“ Nein. Die Planung war vielleicht etwas naiv und ob es funktioniert, weiss ich auch noch nicht. Ich kann bis jetzt nicht von dem Laden leben und ich weiss auch nicht wie lang ich das machen werde. Trotz allem fühlt es sich einfach richtig an. Ich habe es noch nie bereut, stehe bei niemandem in der Schuld und habe keine Zeit oder sonstiges verloren. Wenn es nicht funktioniert, funktioniert es nicht.

Wie gehst du vor, wenn du ein neues Produkt auswählst?
Zu Beginn ging ich vor allem auf Bauernmärkte, da dort die meisten Kleinbetriebe vertreten sind. Sie zur Mitarbeit zu überzeugen war sehr schwierig, da ich dazumal den Laden noch nicht eröffnet hatte. „In vier Monaten eröffne ich vielleicht einen Laden, vielleicht in dem Quartier, hättet ihr vielleicht Interesse mich dann zu beliefern?“ Seit ich den Laden habe, kommen auch einige Leute mit Ideen und Informationen auf mich zu. Ich muss also nicht mehr nur aktiv suchen, sonder werde auch gefunden. Aus den fünfzehn Produzenten zu Beginn wurden mittlerweile über 60. Bei den meisten Produzenten ging ich anfangs persönlich vorbei. So lerne ich ihre Produktionsweisen kennen. Seit ich den Laden eröffnet habe und sechs Tage die Woche dort bin, habe ich leider fast gar keine Zeit mehr für diesen Teil der Arbeit. Die Besuche werde ich aber alle noch nachholen.


Wenn du Freizeit hast, wo verbringst du die am liebsten in Basel?
Freizeit habe ich nun leider nur noch beschränkt. Wenn ich Freizeit habe, findet ihr mich einmal die Woche auf dem Fussballplatz und sonst am Rhein oder in Parks.

Welches sind deine drei Lieblingsprodukte aus dem Lokal?
Schwierig… wenn ich mich entscheiden müsste, wären es die Tomaten aus Muespach, das Kernotto und das Gallowayfleisch. Die Tomaten werden von einem jungen Paar angebaut, das seit letztem Jahr Land gepachtet hat – nicht biozertifiziert aber eigentlich mehr als biologisch, da sie nicht einmal Kupfer verwenden. Sie bauen viele ProSpecieRara Sorten an und geben den Freiland-Tomaten das ganze Jahr kein Wasser. Die Wurzel wächst dadurch bis tief in die Erde hinab, wo sich viele Nährstoffe befinden. Der Geschmack ist extrem gut!
Kernotto werden die geschliffenen Dinkelkörner genannt, die zu meinem Reisersatz wurden. Kocht man sie wie Risotto, mit Weisswein, Zwiebeln und etwas Käse werden sie sämig und fein. UrDinkel ist, wie der Name verrät, ein uraltes Getreide, das hier in der Region schon seit über 4000 Jahren angebaut wird. Die Nährstoffe sind ganz im Innern des Korns, anders als beim heutigen Weizen, der ein gezüchteter Hybrid ist. Wenn die Schale weggenommen und das Korn geschliffen wird, bleiben die ganzen Nährstoffe im Kern des Korns erhalten. Deshalb wird man auch schon ab kleinen Mengen von Kernotto satt. Das Gallowayfleisch kommt aus Hemmiken im Baselbiet. Die schottischen Rinder mit den langen Haaren essen im Sommer wie Winter nur Gras und werden im Vergleich zu anderen Rindern relativ spät geschlachtet. Dadurch ist das Fleisch nicht so zart wie bei einem jungen Rind, aber sehr geschmacksintensiv.




Hast du auch Produkte, die nicht lokal sind?
Ja, ich mache ein paar Ausnahmen, wenn es um Rohstoffe geht. Basler Produktion mit Rohstoffen von anderswo. Dabei gilt auch bei den Rohstoffen, wenn möglich aus der Region, ansonsten aus der übrigen Schweiz oder dem angrenzenden Ausland – weiter gehe ich nicht. Ausser bei Kaffee, Schokolade und Olivenöl. Kaffee kommt natürlich nicht aus der Schweiz, aber wird in Basel geröstet und bei der Schokolade, werden alle Verarbeitungsschritte mit importiertem Kakao in Basel durchgeführt.

Wieso machst du diese Ausnahmen?
Ich mache diese Ausnahme, weil ich die lokale Wirtschaft unterstützen will und es in Basel zwei super Kleinproduzenten für Kaffee und Schokolade gibt. Die Leute lieben Kaffee und Schokolade und wollen nicht darauf verzichten…



Dein Laden vermittelt für mich das Bild eines Dorfladens, in dem man persönliche Beziehungen pflegt.
Ich bin immer dort, das führt automatisch und ganz natürlich zu persönlichen Beziehungen. Es kommen nicht viele Personen in meinen Laden aber die, die kommen, kommen immer wieder. Ich habe also schon eine kleine Stammkundschaft aufgebaut in dem Jahr. Es ist unglaublich schön, einer Arbeit nachzugehen, die mir erlaubt, so viele unterschiedliche Menschen aus allen möglichen Bereichen und sozialen Milieus kennen zu lernen. Man verliert seine Engstirnigkeit, wenn man täglich mit anderen Meinungen, Vorstellungen und Realitäten konfrontiert wird.
Meine schönsten LOKAL-Erlebnisse sind die Begegnungen und mein Netzwerk in den Bereichen Lebensmittel und nachhaltige Ernährung, das unglaublich gewachsen ist. Zu sehen, wie viele Menschen sich engagieren und was für tolle Synergien sich daraus ergeben, stimmt mich sehr positiv für die Zukunft.


Wenn das Lokal ein Musikstück wäre, wie würde es klingen?
Vielleicht wie die ‚Vier Jahreszeiten’ von Vivaldi, weil es zu meinem Konzept der Saisonalität passt und mir sehr gefällt.

Wie wär’s mal mit…
…Bescheidenheit.



Wir danken Esther für das tolle Gespräch, ihre Offenheit und ehrliche Art und nehmen eine Packung Kernotto für einen kulinarischen Gaumenschmaus nach Hause. En Guete


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von Vera Frei
am 03.07.2017

Fotos
Vera Frei und Timon Sutter für Wie wär's mal mit

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