Leihlager: Im Gespräch mit Meret Vischer und Noël Michel
Basel hat seit Februar 2020 einen eigenen, vielfältig und hochwertig ausgestatteten Leihladen: das «Leihlager» an der Feldbergstrasse 76. In knalligem Rot und Gelb kommt es in einer Aufmachung daher, die an Ausverkauf erinnert. Diese deutliche Farbsprache soll plakativ unterstreichen, worum es den Initiant*innen eigentlich geht: Nutzen statt Besitzen.
Liebe Meret, lieber Noël, was sind eure Funktionen hier im «Leihlager»?
Noël: Wir haben das Projekt zu dritt ins Leben gerufen. Das waren Meret, Felix und ich und wir sind so zu gleichen Teilen Mitgründer*innen. Und wir haben vor längerer Zeit Aufgaben verteilt.
Meret: Jetzt ist es so, dass das gestalterische und grafische Noëls’ Ding ist, ich mich vor allem um die Helferbetreuung kümmere und Felix vorwiegend Akquisite betreibt. Den Rest, also Organisatorisches, Administratives und Pressearbeit, erledigen wir zusammen.
Warum braucht Basel ein «Leihlager», woher kam die Idee?
Noël: Ich habe mich im Studium immer mit nachhaltigen Projekten auseinandergesetzt und das hat dann verschiedenste Formen angenommen. Und ich wollte nach dem Studium das Konzept des Leihladens in Basel umsetzen, was nun, zwei Jahre nach dem ersten Versuch, funktioniert hat. Ich hatte viele Gegenstände zu Hause, welche ich nicht weggeben wollte und trotzdem nicht viel benutzt habe. Ich wollte sie deshalb anderen Leuten zugänglich machen, weil dieses praktisch unbenutzte Herumstehen mich genervt hat. Und gleichzeitig hatte ich Interesse, an andere Gegenstände heranzukommen. Und Meret hat einen in Kanada gesehen, oder?
Meret: Genau. Ich habe das Konzept bei meiner Reise durch Kanada kennengelernt und war begeistert! Daraufhin kam Noël mit seiner neuen Idee auf mich zu und ich war natürlich sofort dabei.
Sind viele der Gegenstände im «Leihlager» von euch?
Beide: Ja, die ersten Gegenstände hier kamen aus unseren Kellern. Viele andere kamen durch Spenden von Privatpersonen und Firmen hinzu.
Was ist euer Motto?
Meret: Kaufen war gestern.
Noël: Das ist eher unser Slogan, aber wir haben schon das Image von Ausverkauf, Konsum, eher den Discounter-Style. Unser Motto lautet: «Leihen preiswerter, praktischer und attraktiver machen!».
Meret: Das soll zeigen, dass wir eine Alternative zur heutigen Konsumkultur bieten wollen. Bei uns kann man ohne schlechtes Gewissen konsumieren, weil wir weniger Besitz möglich machen – und das ohne Verzicht.
Kann ich hier mit meinen Sachen hinkommen und ihr entscheidet, was ihr gerne für euer Publikum annehmen wollt?
Noël: Wir haben eine Wunschliste auf der Website und die Idee ist, dass die Leute uns zuerst schreiben, ein Foto und eine Artikelbeschreibung schicken, damit wir uns ein Bild machen können, ob der Gegenstand passt. Wenn wir uns dafür interessieren, schauen wir, wie eine Übergabe stattfinden kann. Bestenfalls bringen sie es dann direkt vorbei.
Meret: Letztens haben wir ein Schoggibrunnen und ein Fotostativ bekommen, aber langsam müssen wir auch ein wenig strenger werden, weil wir immer weniger Platz haben. Für Kleines haben wir noch Platz. Aber wir haben es bewusst als Pilotprojekt ausgeschrieben, zum Einsteigen und vielleicht können wir uns in Zukunft ein grösseres Lager suchen.
Das heisst, der Raum hier bleibt’s bis auf Weiteres. War es schwierig, einen für euer Projekt zu finden?
Noël: Über uns ist ja das Grafikbüro und bei deren Eröffnung war ich hier unten in ihrem Keller und fand es super. Ich habe dann den einen Chef gefragt, ob es möglich wäre, das «Leihlager» hier einzurichten, womit er einverstanden war.
Meret: Vordergründig war es uns auch wichtig, nicht nur finanziell, sondern auch physisch klein anzufangen. Andere Ladenlokale kamen daher für den Anfang gar nicht in Frage.
Noël: Wir haben noch nie einen Shop selbst geführt und wollten das natürlich am liebsten ausprobieren, wenn wir gleichzeitig keine hohen Fixkosten haben.
Wer kann bei euch mitwirken?
Noël: Wir haben ein grosses Freiwilligenteam, für das wir sehr dankbar sind. Dieses nimmt Gegenstände in Empfang, unterhält den Onlinekatalog, schreibt Texte, erstellt Bilder und wickelt Mitgliedschaften ab. Wir sind immer froh um weitere Helfer*innen, entweder im Ladenlokal oder neu auch als Velokurier*in.
Wie mietet man etwas vom «Leihlager»?
Noël: Die reguläre Mitgliedschaft kostet 75 CHF im Jahr, dann gibt es eine Gönnerschaft ab 150 CHF im Jahr, die bezahlen mehr, haben aber die gleichen Konditionen. Wir haben auch noch eine Jahresmitgliedschaft zum Teilen für Personen, welche im gleichen Haushalt leben und die kostet dann 95 CHF pro Jahr. Ich bin mir sicher, dass wir dies im nächsten halben Jahr noch ausweiten werden. Dazu kommt, dass die erste Woche einer Leihperiode gratis ist und wenn der Gegenstand länger gebraucht wird, noch etwas obendrauf kommt. Mit einer Mitgliedschaft kann man bis drei Gegenstände pro Mal mitnehmen.
Macht ihr hier selbst auch Gebrauch?
Beide: Ja, zum Beispiel von Campingsachen oder Werkzeug.
Was ist im momentan das Kurioseste in eurem Sortiment?
Meret: Wir haben zum Beispiel fliegende Fische, welche man mit Helium füllen und fernsteuern kann, und den Pizzaofen finden auch alle recht toll. Was natürlich alle super finden, ist das grosse, vielfältige Werkzeugregal. Das ist sehr hochwertiges Material.
Was sind denn eure Wünsche für die «Leihlager» Zukunft?
Meret: Also Gegenstände? Noël zum Beispiel wünscht sich eine Tätowiermaschine. Und wir würden gerne einen Rückgabeschrank haben, sodass Leute täglich Sachen ausleihen und innert 24 Stunden wieder zurückgeben können, also nicht nur zu den Öffnungszeiten – oder auch Home Delivery. Das sind so unsere Zukunftsideen.
Noël: Ich finde das «Leihlager» ist genau für solche Gerätschaften hier.
Wie wär’s mal mit...
…einer Akkuhandkreissäge mit Führungsschiene?
Vielen Dank an Noël und Meret für das interessante Gespräch und die Ein- und Weitblicke rund um das «Leihlager» und Konsumverhalten. Das «Leihlager» bietet nun neu und aufgrund der Covid-19 Situation einen Lieferservice für die Stadt Basel an. Jeden Dienstag liefert das Team zwischen 17.30 und 20 Uhr direkt nach Hause.
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von Sarah Preiswerk
am 08.06.2020
Fotos
© Ketty Bertossi für Wie wär's mal mit
Wer die Bilder weiterverwenden möchte, muss sich die Rechte bei Wie wär’s mal mit einholen.
Basel hat seit Februar 2020 einen eigenen, vielfältig und hochwertig ausgestatteten Leihladen: das «Leihlager» an der Feldbergstrasse 76. In knalligem Rot und Gelb kommt es in einer Aufmachung daher, die an Ausverkauf erinnert. Diese deutliche Farbsprache soll plakativ unterstreichen, worum es den Initiant*innen eigentlich geht: Nutzen statt Besitzen.
Liebe Meret, lieber Noël, was sind eure Funktionen hier im «Leihlager»?
Noël: Wir haben das Projekt zu dritt ins Leben gerufen. Das waren Meret, Felix und ich und wir sind so zu gleichen Teilen Mitgründer*innen. Und wir haben vor längerer Zeit Aufgaben verteilt.
Meret: Jetzt ist es so, dass das gestalterische und grafische Noëls’ Ding ist, ich mich vor allem um die Helferbetreuung kümmere und Felix vorwiegend Akquisite betreibt. Den Rest, also Organisatorisches, Administratives und Pressearbeit, erledigen wir zusammen.
Warum braucht Basel ein «Leihlager», woher kam die Idee?
Noël: Ich habe mich im Studium immer mit nachhaltigen Projekten auseinandergesetzt und das hat dann verschiedenste Formen angenommen. Und ich wollte nach dem Studium das Konzept des Leihladens in Basel umsetzen, was nun, zwei Jahre nach dem ersten Versuch, funktioniert hat. Ich hatte viele Gegenstände zu Hause, welche ich nicht weggeben wollte und trotzdem nicht viel benutzt habe. Ich wollte sie deshalb anderen Leuten zugänglich machen, weil dieses praktisch unbenutzte Herumstehen mich genervt hat. Und gleichzeitig hatte ich Interesse, an andere Gegenstände heranzukommen. Und Meret hat einen in Kanada gesehen, oder?
Meret: Genau. Ich habe das Konzept bei meiner Reise durch Kanada kennengelernt und war begeistert! Daraufhin kam Noël mit seiner neuen Idee auf mich zu und ich war natürlich sofort dabei.
Sind viele der Gegenstände im «Leihlager» von euch?
Beide: Ja, die ersten Gegenstände hier kamen aus unseren Kellern. Viele andere kamen durch Spenden von Privatpersonen und Firmen hinzu.
Was ist euer Motto?
Meret: Kaufen war gestern.
Noël: Das ist eher unser Slogan, aber wir haben schon das Image von Ausverkauf, Konsum, eher den Discounter-Style. Unser Motto lautet: «Leihen preiswerter, praktischer und attraktiver machen!».
Meret: Das soll zeigen, dass wir eine Alternative zur heutigen Konsumkultur bieten wollen. Bei uns kann man ohne schlechtes Gewissen konsumieren, weil wir weniger Besitz möglich machen – und das ohne Verzicht.
Kann ich hier mit meinen Sachen hinkommen und ihr entscheidet, was ihr gerne für euer Publikum annehmen wollt?
Noël: Wir haben eine Wunschliste auf der Website und die Idee ist, dass die Leute uns zuerst schreiben, ein Foto und eine Artikelbeschreibung schicken, damit wir uns ein Bild machen können, ob der Gegenstand passt. Wenn wir uns dafür interessieren, schauen wir, wie eine Übergabe stattfinden kann. Bestenfalls bringen sie es dann direkt vorbei.
Meret: Letztens haben wir ein Schoggibrunnen und ein Fotostativ bekommen, aber langsam müssen wir auch ein wenig strenger werden, weil wir immer weniger Platz haben. Für Kleines haben wir noch Platz. Aber wir haben es bewusst als Pilotprojekt ausgeschrieben, zum Einsteigen und vielleicht können wir uns in Zukunft ein grösseres Lager suchen.
Das heisst, der Raum hier bleibt’s bis auf Weiteres. War es schwierig, einen für euer Projekt zu finden?
Noël: Über uns ist ja das Grafikbüro und bei deren Eröffnung war ich hier unten in ihrem Keller und fand es super. Ich habe dann den einen Chef gefragt, ob es möglich wäre, das «Leihlager» hier einzurichten, womit er einverstanden war.
Meret: Vordergründig war es uns auch wichtig, nicht nur finanziell, sondern auch physisch klein anzufangen. Andere Ladenlokale kamen daher für den Anfang gar nicht in Frage.
Noël: Wir haben noch nie einen Shop selbst geführt und wollten das natürlich am liebsten ausprobieren, wenn wir gleichzeitig keine hohen Fixkosten haben.
Wer kann bei euch mitwirken?
Noël: Wir haben ein grosses Freiwilligenteam, für das wir sehr dankbar sind. Dieses nimmt Gegenstände in Empfang, unterhält den Onlinekatalog, schreibt Texte, erstellt Bilder und wickelt Mitgliedschaften ab. Wir sind immer froh um weitere Helfer*innen, entweder im Ladenlokal oder neu auch als Velokurier*in.
Wie mietet man etwas vom «Leihlager»?
Noël: Die reguläre Mitgliedschaft kostet 75 CHF im Jahr, dann gibt es eine Gönnerschaft ab 150 CHF im Jahr, die bezahlen mehr, haben aber die gleichen Konditionen. Wir haben auch noch eine Jahresmitgliedschaft zum Teilen für Personen, welche im gleichen Haushalt leben und die kostet dann 95 CHF pro Jahr. Ich bin mir sicher, dass wir dies im nächsten halben Jahr noch ausweiten werden. Dazu kommt, dass die erste Woche einer Leihperiode gratis ist und wenn der Gegenstand länger gebraucht wird, noch etwas obendrauf kommt. Mit einer Mitgliedschaft kann man bis drei Gegenstände pro Mal mitnehmen.
Macht ihr hier selbst auch Gebrauch?
Beide: Ja, zum Beispiel von Campingsachen oder Werkzeug.
Was ist im momentan das Kurioseste in eurem Sortiment?
Meret: Wir haben zum Beispiel fliegende Fische, welche man mit Helium füllen und fernsteuern kann, und den Pizzaofen finden auch alle recht toll. Was natürlich alle super finden, ist das grosse, vielfältige Werkzeugregal. Das ist sehr hochwertiges Material.
Was sind denn eure Wünsche für die «Leihlager» Zukunft?
Meret: Also Gegenstände? Noël zum Beispiel wünscht sich eine Tätowiermaschine. Und wir würden gerne einen Rückgabeschrank haben, sodass Leute täglich Sachen ausleihen und innert 24 Stunden wieder zurückgeben können, also nicht nur zu den Öffnungszeiten – oder auch Home Delivery. Das sind so unsere Zukunftsideen.
Noël: Ich finde das «Leihlager» ist genau für solche Gerätschaften hier.
Wie wär’s mal mit...
…einer Akkuhandkreissäge mit Führungsschiene?
Vielen Dank an Noël und Meret für das interessante Gespräch und die Ein- und Weitblicke rund um das «Leihlager» und Konsumverhalten. Das «Leihlager» bietet nun neu und aufgrund der Covid-19 Situation einen Lieferservice für die Stadt Basel an. Jeden Dienstag liefert das Team zwischen 17.30 und 20 Uhr direkt nach Hause.
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von Sarah Preiswerk
am 08.06.2020
Fotos
© Ketty Bertossi für Wie wär's mal mit
Wer die Bilder weiterverwenden möchte, muss sich die Rechte bei Wie wär’s mal mit einholen.