Live Let's Play Basel: Die Initiatoren Lena und Manuel im Gespräch

In der Monkey Bar gleich um die Ecke des Schauspielhauses in Basel finden hin und wieder Spieleabende der besonderen Art statt. Man kann im Kollektiv die Handlungen des gespielten Games live mitbestimmen. Es ist eine Art gemeinsames Serien schauen und dabei die Handlungsabläufe mitgestalten können. Lena und Manuel führten dieses Jahr das Live Let’s Play in Basel ein. Was dies ist und worum es im ersten Game Life Is Strange geht, erfahrt ihr im Folgenden.


Liebe Lena, wer bist du und was ist Live Let’s Play?
Lena: Ich habe Philosophie und Medienwissenschaften an der Universität Basel studiert (BA) und mache zurzeit ein Praktikum bei einer Event Agentur in Zürich. Die Idee für einen Live Let’s Play entstand ironischerweise an der Berlinale. Ich fragte mich, weshalb sie dort mittlerweile auch TV-Serien zeigen, aber keine Videogames. Letztere erzählen nämlich genauso tolle Geschichten beziehungsweise lassen sie einen selbst erleben. Let’s Play Videos ziehen auf Online Plattformen wie YouTube Millionen von Zuschauern an. Ein Spieler kommentiert hierbei seine Spielhandlungen. Die Spiele werden oft gemeinsam „live“ gespielt. Früher habe ich beispielsweise mit meiner Schwester stundenlang zu zweit an einem Game gesessen. Ich finde es wichtig, Videogames einem breiten Publikum zu zeigen, auch Leuten, die selbst gar nie spielen und vielleicht auch ein sehr eingerostetes Bild davon haben, was ein Videogame sein kann.


Du bist nicht alleine. Manuel macht auch mit. Wer ist er und was ist seine Rolle?
Lena: Ich kenne Manuel von der Uni. Er hat dort ein Seminar zum Thema Game Studies angeboten, das für mich der Anlass war, mich mit Games als Medium zu beschäftigen. Dort hat er auch hin und wieder mal ein Game live vorgestellt. Dieses diskutierten wir daraufhin gemeinsam vor dem Hintergrund aktueller Theorien aus den Game Studies. Ich fand wohl deshalb ein Live Let’s Play in Basel sehr angebracht.
Manuel spielt an den Live Let’s Play Abenden das jeweilige Spiel, kommentiert dieses, auch mit wissenschaftlichem Background, und lässt das Publikum die Entscheidungen im Spiel treffen. Er selbst hat über 500 Spiele gespielt und dafür zwischen 5 und 250 Stunden investiert. Heute arbeitet er als Digital Media Manager bei einer Versicherung in Basel.




Ihr spielt das Spiel Life Is Strange. Worum geht’s in dem Spiel? Beschreibt auch den Hauptcharakter.
Lena: Die Geschichte von Life Is Strange dreht sich um die 18 Jährige Max Caulfield. Sie studiert Fotografie an der Blackwell Academy in einer ruhigen Kleinstadt im Nordosten der USA. An der Schule gehen seltsame Dinge vor und als Max entdeckt, dass sie die Zeit zurückdrehen kann, nimmt das Geschehen seinen Lauf.
Manuel: Max selbst ist unbeholfen, unsicher, unscheinbar, was sich im Laufe der Geschichte ändert. Es handelt sich bei Life Is Strange um eine klassische Coming of Age Geschichte mit Mystery Elementen, die sehr spannend erzählt wird; quasi das Twin Peaks für jüngere Semester.




Mich erinnert das Game an einige meiner Lieblingsserien und Filme wie Stranger Things, The OA oder Donnie Darko. Lena, was ist dein Lieblingszitat aus dem Spiel?
Lena: Are you cereal? Oder eigentlich alle Aussagen von Max – sie ist absolut „socially awkward“.



Was ist die lustigste Szene im Spiel?
Manuel: Max hat ein glückliches Händchen, schräge Charaktere anzuziehen. So ist dies beispielsweise der Hausmeister der Blackwell Academy, dessen "Krafttier" ein Eichhörnchen ist. Diese Gespräche münden letztlich in einen surrealen Dialog. Lustig ist auch die erste Begegnung mit Warren, ebenfalls Student an der Uni, der hoffnungslos in Max verliebt ist. Sie umgeht die herzliche Begrüssung von Warren geschickt – in diesem Moment fühlt man sich wieder als Teenager.


Das erste Live Let’s Play fand im Januar 2017 statt, wie war der Auftakt? Und weshalb ist ausgerechnet die Monkey Bar in Basel ein geeigneter Ort für diesen Event?
Lena: Es war ein voller Erfolg! Wir waren circa 50 Personen und das Publikum war sehr engagiert. Die Monkey Bar - eine Spielstätte des Theater Basel - ermöglichte mit der Bar eine sehr entspannte Wohnzimmeratmosphäre.



Weshalb macht es mehr Spass das Game gemeinsam statt einsam zu spielen?
Manuel: Das ist eine komplexe Frage. Videogames hafteten lange Zeit das Klischee an, einsam im dunklen Keller gespielt zu werden. Nachdem Games immer mehr die Populärkultur dominierten, sowie in der breiten Masse akzeptiert wurden – auf einmal spielten auch die Grosseltern eine Runde Tennis auf der Wii – nahm gleichzeitig die Kommerzialisierung der Videogames zu. Immer mehr Games wurden produziert, es gab viele Spiele für alle möglichen Zielgruppen. Gemeinsam Turniere zu spielen oder als Zuschauer in Korea beizuwohnen, war auf einmal massentauglich. Dann war da noch YouTube. Erst gab es hier meist nur Trailer oder vom Hersteller geschnittenes Material – User wollten aber "echtes" Material. User nahmen sich auf, zeigten ihr Spielkönnen, "Let's Player" waren auf einmal moderne Entertainer, Let's Play Videos wurden millionenfach angesehen. Wohl auch, weil viele noch einen gewissen Respekt vor dem Medium haben, denken, Games seien kompliziert, oder einfach zu teuer, was gerade bei Jugendlichen dafür sorgt, dass sie eher zusehen statt selbst zu spielen.



Ein Live Let's Play schafft gerade hier eine Nische: Es schafft die Möglichkeit, dass auch Nichtspieler eine spannende Geschichte erleben, ohne viel Zeit oder Geld investieren zu müssen. Gleichzeitig wird das einsame Medium aus seinem asozialen Kontext herausgerissen. Entscheidungen werden gemeinsam diskutiert, es entsteht ein Gemeinschaftsgefühl, es wird zusammen gelacht, geweint und diskutiert – wie ein Besuch im Kino, mit dem Unterschied, dass ich die Geschichte selbst beeinflussen kann, diese personalisieren kann. Gerade vor dem Hintergrund, dass unser heutiger, alltäglicher Mediumkonsum sehr personalisiert ist – ob Web, Social Media, Streaming Angebote, nichts geht ohne Personalisierung – trifft das natürlich den aktuellen Zeitgeist.




Ist es so, als würde man eine Serie schauen und dabei selber Handlungen des Hauptdarstellers bestimmen können?
Lena: Ja, die Parallele lässt sich nicht von der Hand weisen. Wobei ich glaube, dass Videogames nochmals weitere Möglichkeiten ausloten, wie eine Geschichte erzählt werden kann, beispielsweise anhand der Interaktion, der Atmosphäre, der Art wie der Spieler emotional eingebunden wird.
Manuel: Gerade der Punkt mit der Interaktion ist sehr wichtig. Statt uns zum passiven Zuschauer zu verdonnern, sind es unsere Entscheidungen, unsere Art und Weise, wie wir spielen, die das Spielerlebnis bestimmen – es wird dadurch zu unserem eigenen Spiel. Das sorgt wiederum für eine größere Identifikationsfläche als so manch anderes Medium.




Kann man einfach so zu jedem Zeitpunkt in das Game mit einsteigen?
Der nächste Event ist am 21. April 2017. Da spielen wir die letzten zwei Episoden von Life Is Strange. Wir gestalten die Live Let’s Plays so, dass man auch zu späteren Episoden hinzustoßen kann, indem wir die letzte Episode Revue passieren lassen inklusive der wichtigsten Entscheidungen – so eine Art “Previously on”.



Beschreibt die Stimmung von Life Is Strange mit einer Farbe.
Lena: Orange. Das Spiel hat einen sehr herbstlichen Sonnenuntergang Look. Es erinnert mich auch an Störungen bei Polaroids und analoge Fotografie, die im Spiel ein wichtiges Thema ist.
Manuel: Grau. Es gibt kein richtig oder falsch, wie man sich entscheidet, kein Schwarz oder Weiss, sondern nur irgendwas Dazwischen – in dem Fall Grau.


Wie wär’s mal mit...
...einem gemütlichen Live Let’s Play?



Vielen Dank an Lena und Manuel, die uns einen zeitgemässen Einblick in die Welt von Games geben und mit dem Spiel Life Is Strange wunderbar in die Materie einführen. Auf viele weitere anregende gemeinsame Live Let's Play Game Abende.


_
Text und Fotos von Ana Brankovic
am 17.04.2017


Wer die Bilder verwenden will, muss sich die Rechte bei Wie wär’s mal mit einholen.
Über uns ︎

Menschen
Alltag
Kultur
Schweiz

Impressum

Wie wär’s mal mit
c/o Ana Brankovic
Giessliweg 81
4057 Basel
Schweiz
wiewaersmalmit@gmail.com

Unterstützen ︎

Vereinskonto
CH50 0029 2292 1353 60M1 L