«Plankton» Basel: Im Gespräch mit Livia Matthäus
Gleich an der Grenze zu Riehen liegt das wohl urbanste Gemüsefeld Basels. Hier ist die grösste Anbaufläche von
«Plankton», einer Gemüsekooperative, die ihre Produkte mit Abos vertreibt. Weitere Gemüsebeete von
«Plankton»
finden sich auf Grünflächen bei Wohnsiedlungen oder in Vorgärten von Altersheimen, über Basel verteilt. Livia Matthäus vom
«Plankton» Projekt kommt uns in Gummistiefeln entgegen, da sie die Kefen geerntet und dort drüben gerade neuen Kohl angesetzt hat. Wir setzen uns unter einen Baum, um zusammen über urbane Landwirtschaft, wahre Produktepreise und den echten Geschmack von Rüebli zu sprechen.
Hey Livia, wer bist du und was ist deine grösste Macke?
Ich komme aus dem Projekt- und Kulturmanagement. Ich habe vor allem im inklusiven Kulturbereich gearbeitet, zum Beispiel beim Wildwuchsfestival. Ausserdem habe ich das Hyperwerk an der Kunsthochschule abgeschlossen. Dort habe ich mich vertieft mit solidarischen Wirtschaftsmodellen auseinandergesetzt. Von da war es dann nicht mehr so weit zu solidarischer Landwirtschaft. Das bewegt mich seither. Und meine grösste Macke... ich versuche meinen Perfektionismus abzubauen. Landwirtschaft lehrt mich das sehr gut, da kann Perfektion nie erreicht werden. Man könnte immer noch mehr machen.
Was ist «Plankton» und wie ist das Projekt entstanden?
Tilla und ich, wir haben das Projekt zu zweit gegründet, und es war Anfangs auch noch stark von uns geprägt. Mittlerweile hat sich das auch ein bisschen gewandelt. Tilla hat sich viel mit Urban Agricultures auseinandergesetzt vorher, also mit Landwirtschaft im Stadtraum. Wir sind auf dieses Projekt in Vancouver gestossen, bei dem sie in Vorgärten Gemüse angebaut haben. Wir dachten: diese Idee wollen wir nach Basel zu bringen. Das ist einerseits eine Möglichkeit für uns als Nicht-Landwirtinnen, an Land zu kommen, und bietet ausserdem ein anderer Zugang zu landwirtschaftlicher Produktion, der sich inklusiver gestalten lässt. Und dann haben wir dieses Konzept geschrieben und angefangen – und vieles unterschätzt.
Welche Ansätze sind für dich beim Anbau zentral?
Wir arbeiten nach dem regenerativen Ansatz, das heisst: wir möchten Hummus aufbauen. Gerade beim Gemüse ist es so, dass man normalerweise Hummus abbaut, weil es eine sehr intensive Bodenbewirtschaftung beinhaltet. Gemüse regenerativ anzubauen ist schwierig, wir wenden deswegen verschiedene Methoden an: Gründüngungen zum Beispiel und Zwischenbegrünungen und wir schauen, dass der Boden immer bedeckt ist, weil das Erosion vermidet. Das ist unser Herzensanliegen: Menschen ernähren, und trotzdem Hummus aufbauen.
Welche gesellschaftlichen Werte liegen dir bei der Arbeit für «Plankton» am Herzen?
Wir sehen uns als feministisches Landwirtschaftsprojekt, das ist uns sehr wichtig. Nicht um zu sagen, dass wir da alles perfekt machen, aber wir versuchen es und thematisieren im Team, wie wir Landwirtschaft feministisch gestalten können. Und auch der solidarische Aspekt: dass also die Community dieses Projekt trägt, mit den Beiträgen an das Gemüseabo, aber auch durch die Mitarbeit. Die Idee ist, dass die Abonnent*innen auch mitarbeiten auf dem Feld.
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Gibt es bei dieser Mitarbeit der Community Momente oder Anekdoten, die dir besondere Freude bereitet haben?
Lustigerweise haben die Momente, die mir in den Sinn kommen gerade alle mit den Rüebli zu tun. Die kommen einfach gut an. Letzte Woche hat mir zum Beispiel jemand erzählt, dass seine Kinder nie Rüebli gegessen haben – bis sie die «Plankton»-Rüebli entdeckt haben. Dann mussten sie grad ein Abo abschliessen. Und vor Kurzem hat mir auch jemand gesagt, dass es unglaublich sei, zu sehen, wie viel Arbeit in so einem Rüebli steckt. Diese Person war beim Säen dabei und beim Ernten, Rüsten, Einlagern. Dieses Erkennen, was eigentlich drinsteckt in einem Produkt, das finde ich sehr wichtig.
Welches Gemüse darf für dich auf keinen Fall auf einem Feld fehlen?
Ich verbinde mit dem Kardy sehr viel Schönes. Das ist ein Artischockengewächs, bei dem aber die Stiele gegessen werden und es war das erste spezielle Gemüse, das wir angebaut haben. Der Kardy steht für mich dafür, dass wir neben Rüebli und Co. auch wirklich aussergewöhnliche Sachen im Angebot haben.
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Was ist die grössten Herausforderung bei deiner Arbeit?
Die richtigen Menschen zu finden. Es gibt uns jetzt schon eine Weile und wir hatten immer viele Teamwechsel. Es ist sehr schwierig, ein Team aufzubauen, welches das Projekt auch trägt, das Bock hat, zu diesen landwirtschaftlichen Bedingungen so viel zu investieren. Wir versuchen vieles besser zu machen, wir haben weniger Wochenarbeitszeit als in der klassischen Landwirtschaft und mehr Ferien, aber wir können uns diesen Arbeitsbedingungen natürlich auch nicht ganz entziehen, bei den Lohnansätzen zum Beispiel. Leute zu finden, die Lust haben, langfristig dabei zu sein und sich mit dem Projekt verbinden können, ist nicht so einfach, wie ich das erst gedacht habe.
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Welche Rolle spielt die Landwirtschaft in einer Gesellschaft deiner Idealvorstellung?
Für mich ist sehr wichtig, dass die Landwirtschaft sichtbar wird, näher zu den Menschen kommt und wieder mehr im Stadtraum stattfindet. Denn wir erfahren in unserer Arbeit immer wieder, dass die Wertschätzung ganz eine andere ist, wenn die Menschen auch sehen können, welche Arbeit hinter ihrem Essen steht. Die Leute sind dann auch eher bereit, den wahren Preis zu zahlen. Das, was wir im Laden sehen, bildet nicht den eigentlichen Produktepreis ab. Diese ganze Produktionskette muss also wieder transparenter werden, dass man sehen kann, was es wirklich bedeutet, Lebensmittel herzustellen.
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Wo bist du wenn nicht auf dem Gemüsefeld?
Das ist jetzt gerade eine fiese Frage, denn es ist gerade Hochsaison. Von Mai bis Juni bin ich sehr viel da. Ich habe aber auch noch ein anderes Gärtli in den Langen Erlen und habe jetzt auch mit dem Schnitzen begonnen, so als Ausgleich.
Wie wär’s mal mit...
...Menschen nachhaltig ernähren und gleichzeitig Ökosysteme regenerieren?
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Vielen liegen Dank für das spannende Gespräch, Livia!
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von Nina Hurni
am 07.10.2024
Fotos
© Christina Cattelani für Wie wär's mal mit
Wer die Bilder weiterverwenden möchte, muss sich die Rechte bei Wie wär’s mal mit einholen.
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Hey Livia, wer bist du und was ist deine grösste Macke?
Ich komme aus dem Projekt- und Kulturmanagement. Ich habe vor allem im inklusiven Kulturbereich gearbeitet, zum Beispiel beim Wildwuchsfestival. Ausserdem habe ich das Hyperwerk an der Kunsthochschule abgeschlossen. Dort habe ich mich vertieft mit solidarischen Wirtschaftsmodellen auseinandergesetzt. Von da war es dann nicht mehr so weit zu solidarischer Landwirtschaft. Das bewegt mich seither. Und meine grösste Macke... ich versuche meinen Perfektionismus abzubauen. Landwirtschaft lehrt mich das sehr gut, da kann Perfektion nie erreicht werden. Man könnte immer noch mehr machen.
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Was ist «Plankton» und wie ist das Projekt entstanden?
Tilla und ich, wir haben das Projekt zu zweit gegründet, und es war Anfangs auch noch stark von uns geprägt. Mittlerweile hat sich das auch ein bisschen gewandelt. Tilla hat sich viel mit Urban Agricultures auseinandergesetzt vorher, also mit Landwirtschaft im Stadtraum. Wir sind auf dieses Projekt in Vancouver gestossen, bei dem sie in Vorgärten Gemüse angebaut haben. Wir dachten: diese Idee wollen wir nach Basel zu bringen. Das ist einerseits eine Möglichkeit für uns als Nicht-Landwirtinnen, an Land zu kommen, und bietet ausserdem ein anderer Zugang zu landwirtschaftlicher Produktion, der sich inklusiver gestalten lässt. Und dann haben wir dieses Konzept geschrieben und angefangen – und vieles unterschätzt.
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Welche Ansätze sind für dich beim Anbau zentral?
Wir arbeiten nach dem regenerativen Ansatz, das heisst: wir möchten Hummus aufbauen. Gerade beim Gemüse ist es so, dass man normalerweise Hummus abbaut, weil es eine sehr intensive Bodenbewirtschaftung beinhaltet. Gemüse regenerativ anzubauen ist schwierig, wir wenden deswegen verschiedene Methoden an: Gründüngungen zum Beispiel und Zwischenbegrünungen und wir schauen, dass der Boden immer bedeckt ist, weil das Erosion vermidet. Das ist unser Herzensanliegen: Menschen ernähren, und trotzdem Hummus aufbauen.
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Welche gesellschaftlichen Werte liegen dir bei der Arbeit für «Plankton» am Herzen?
Wir sehen uns als feministisches Landwirtschaftsprojekt, das ist uns sehr wichtig. Nicht um zu sagen, dass wir da alles perfekt machen, aber wir versuchen es und thematisieren im Team, wie wir Landwirtschaft feministisch gestalten können. Und auch der solidarische Aspekt: dass also die Community dieses Projekt trägt, mit den Beiträgen an das Gemüseabo, aber auch durch die Mitarbeit. Die Idee ist, dass die Abonnent*innen auch mitarbeiten auf dem Feld.
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Gibt es bei dieser Mitarbeit der Community Momente oder Anekdoten, die dir besondere Freude bereitet haben?
Lustigerweise haben die Momente, die mir in den Sinn kommen gerade alle mit den Rüebli zu tun. Die kommen einfach gut an. Letzte Woche hat mir zum Beispiel jemand erzählt, dass seine Kinder nie Rüebli gegessen haben – bis sie die «Plankton»-Rüebli entdeckt haben. Dann mussten sie grad ein Abo abschliessen. Und vor Kurzem hat mir auch jemand gesagt, dass es unglaublich sei, zu sehen, wie viel Arbeit in so einem Rüebli steckt. Diese Person war beim Säen dabei und beim Ernten, Rüsten, Einlagern. Dieses Erkennen, was eigentlich drinsteckt in einem Produkt, das finde ich sehr wichtig.
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Welches Gemüse darf für dich auf keinen Fall auf einem Feld fehlen?
Ich verbinde mit dem Kardy sehr viel Schönes. Das ist ein Artischockengewächs, bei dem aber die Stiele gegessen werden und es war das erste spezielle Gemüse, das wir angebaut haben. Der Kardy steht für mich dafür, dass wir neben Rüebli und Co. auch wirklich aussergewöhnliche Sachen im Angebot haben.
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Was ist die grössten Herausforderung bei deiner Arbeit?
Die richtigen Menschen zu finden. Es gibt uns jetzt schon eine Weile und wir hatten immer viele Teamwechsel. Es ist sehr schwierig, ein Team aufzubauen, welches das Projekt auch trägt, das Bock hat, zu diesen landwirtschaftlichen Bedingungen so viel zu investieren. Wir versuchen vieles besser zu machen, wir haben weniger Wochenarbeitszeit als in der klassischen Landwirtschaft und mehr Ferien, aber wir können uns diesen Arbeitsbedingungen natürlich auch nicht ganz entziehen, bei den Lohnansätzen zum Beispiel. Leute zu finden, die Lust haben, langfristig dabei zu sein und sich mit dem Projekt verbinden können, ist nicht so einfach, wie ich das erst gedacht habe.
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Welche Rolle spielt die Landwirtschaft in einer Gesellschaft deiner Idealvorstellung?
Für mich ist sehr wichtig, dass die Landwirtschaft sichtbar wird, näher zu den Menschen kommt und wieder mehr im Stadtraum stattfindet. Denn wir erfahren in unserer Arbeit immer wieder, dass die Wertschätzung ganz eine andere ist, wenn die Menschen auch sehen können, welche Arbeit hinter ihrem Essen steht. Die Leute sind dann auch eher bereit, den wahren Preis zu zahlen. Das, was wir im Laden sehen, bildet nicht den eigentlichen Produktepreis ab. Diese ganze Produktionskette muss also wieder transparenter werden, dass man sehen kann, was es wirklich bedeutet, Lebensmittel herzustellen.
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Wo bist du wenn nicht auf dem Gemüsefeld?
Das ist jetzt gerade eine fiese Frage, denn es ist gerade Hochsaison. Von Mai bis Juni bin ich sehr viel da. Ich habe aber auch noch ein anderes Gärtli in den Langen Erlen und habe jetzt auch mit dem Schnitzen begonnen, so als Ausgleich.
Wie wär’s mal mit...
...Menschen nachhaltig ernähren und gleichzeitig Ökosysteme regenerieren?
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Vielen liegen Dank für das spannende Gespräch, Livia!
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von Nina Hurni
am 07.10.2024
Fotos
© Christina Cattelani für Wie wär's mal mit
Wer die Bilder weiterverwenden möchte, muss sich die Rechte bei Wie wär’s mal mit einholen.