Soeder Basel: Im Gespräch mit Manu Meyer

Soeder – der charmante Laden am Spalenberg, bei dem die Touristen beim vorbeigehen neugierig reingüggseln und Locals gerne ein Schwätzchen mit den Menschen hinter der Theke halten. Wir haben Manu Meyer beim ersten Frühlingssonnenschein im Laden besucht – für mehr als ein Schwätzchen.


Liebe Manu, wer bist du und was ist Soeder?
Ich bin Manu. Soeder ist ein Brand. Wir sind ein Kollektiv das Basics für den Alltag designed, also Kleider, Möbel oder Pflegeprodukte. Wir produzieren diese fair in Europa. Das heisst wir arbeiten mit meist kleinen Manufakturen zusammen, die gute Arbeitsbedingungen haben. Vieles wird in der Schweiz hergestellt, ansonsten innerhalb der Grenzen von Europa. Unsere Jeans und Sneakers beispielsweise lassen wir in Italien machen, wir produzieren aber auch in Portugal, Schweden oder Estland. Das kommt aufs Produkt an, je nach dem, welches Handwerk wo angeboten wird.


Wer ist das Team und wie ist Soeder entstanden?
Soeder hat eigentlich in Zürich angefangen und ein Jahr später ging der Laden in Basel auf. Ich bin seit der Eröffnung Mitglied beim Team in Basel und habe Anfangs im Verkauf gearbeitet. Ab Tag eins war ich aber bereits sozusagen Soeder-Familienmitglied. Man kann wohl nicht für Soeder arbeiten, ohne sich voll zu engagieren. Bei Soeder Basel sind wir ein Viererteam. Alice ist Textildesignerin und gelernte Schneiderin. Dann haben wir Jan, der Künstler ist und nebenbei noch bei uns arbeitet und Patrick ist Masterstudent. Er war tatsächlich Stammkunde bevor er bei uns angefangen hat. Eines Tages hat er gefragt, ob wir jemanden im Verkauf bräuchten. Das war ein gutes und schnelles Bewerbungsgespräch (lacht). Es gibt ein Kernteam, das die Hauptentscheidungen zusammen trifft und die Richtung in die Soeder gehen soll bestimmt. Das sind Hanna, Johann und Kalle, die Soeder auch mitgegründet haben. Sie sind die Visionäre. Alle drei sind in Schweden aufgewachsen, wohnen aber alle schon länger in der Schweiz. Hanna beispielsweise hatte selbst ein Architekturbüro, bevor sie sich voll auf Soeder konzentrierte. Jeder von den dreien hat sein Spezialgebiet: Hanna macht die Innenarchitektur für alle Läden, sie hat Soeder Basel gestaltet. Da sie Architektin ist, liegt das nahe. Sie ist mittlerweile auch verantwortlich für alle Produktdesign Sachen ausser den Kleidern.
Johann hat die Seifen entwickelt, er übernimmt alle Aufgaben in der Seifenfabrik und tüftelt an den Rezepten. Er ist sehr interessiert an Technik und Maschinen, und Chemie ist für ihn auch kein Fremdwort, das bietet sich also an. Kalle ist unser Textildesigner, er macht alle Kleider. Dazu gibt es ein erweitertes Kollektiv, das etwas mithilft zum Beispiel Schnitte zu zeichnen oder bei Text, Video, Grafik, Fotografie. Das Team ist wirklich wie eine Familie. Es ist ein riesiger Respekt und eine Dankbarkeit da für den Einsatz, den man leistet. Man diskutiert alles auf der gleichen Ebene, es kommt nicht darauf an, was für eine Position man innehält. Wenn man zu Soeder dazugehört, dann ist jede Meinung wichtig.



Was sind deine Aufgaben bei Soeder und wie bist du dazu gekommen?
Ich bin Store Manager, das heisst ich organisiere alles für den Laden in Basel. Ich organisiere das Team, schaue wie der Laden gestaltet ist, organisiere Events, schaue dass der Lagerbestand stimmt und bestelle Dinge nach, also eher administrative Sachen. Aber bei Soeder ist man eigentlich nie einfach nur etwas. Wenn man sieht, dass es irgendwo brennt oder etwas gemacht werden muss, springt man ein und versucht überall mitzuziehen. Da ich ausgebildete Grafikerin bin übernehme ich natürlich oft Aufgaben in diesem Bereich. Wenn ein Flyer benötigt wird, Informationsmaterial oder Text an der Wand - vieles davon landet auf meinem Tisch. Auch etwas Marketing kommt automatisch in meinen Bereich.


Was hat sich Soeder zur Aufgabe gestellt?
Wir wollen fair produzierte, schöne Sachen, die immernoch zahlbar sind unter die Leute bringen. Es soll kein Luxus sein, nachhaltig einzukaufen. Es sollte kein Luxus sein, dir zu überlegen, wo was hergestellt wurde und welche Materialien du am Körper trägst. Das Ziel ist, dass man bei uns in den Laden kommen kann und weiss, Soeder hat diese Dinge begriffen. Die Kunden dürfen natürlich auf die Etiketten schauen und viele Fragen stellen über die Produktionsweise, das Material oder die Qualität, aber sie wissen, dass es gut gemacht wurde, fair produziert wurde und das Material nachhaltig ist. Es kommt nur Bio Baumwolle in unseren Laden. Die Leute schätzen diese Sicherheit sehr, Soeder ist wie eine Art Zertifikat.


Was ist dein Lieblingsprodukt in Sachen Nachhaltigkeit?
Etwas unspektakuläres und vielleicht banales: Hanenwasser. Oder vielleicht frisches Gemüse, am besten aus dem Garten meiner Eltern.

Wie ist deine Einstellung zum Thema Nachhaltigkeit?
Ich möchte kein Moralapostel sein. Ich finde jeder muss für sich selbst herausfinden, wieviel er wovon in seinen Alltag einbauen möchte und wie schnell er sich ändern kann. Es gibt aber eigentlich keinen Grund, Sachen zu kaufen, die unter miserablen Arbeitsbedingungen hergestellt oder mit Giften behandelt wurden. Ich verstehe, dass es manchmal Ausnahmen geben kann.


Was für Ausnahmen wären das?
Zum Beispiel, wenn man sich so fest in die eine Flamingo Vase verliebt hat, bei der man sich jeden Tag darauf freut sie im Wohnzimmer zu sehen. Wenn es einmalige Sachen sind, die man wirklich extrem schätzt, dann verstehe ich es schon, dass man sich das vielleicht kauft, obwohl die Informationen über die Herstellung nicht vorhanden sind oder es gar offensichtlich "Chinaware" ist. Ich finde man muss es schon noch so halten, dass man sich nicht so fest einschränkt, dass man keinen Spass mehr am Leben hat. Allerdings sehe ich hier bereits ein Dilemma: eine Jacke, die ich als Teenager gekauft habe, immernoch habe und trage, das ist nachhaltig. Das hilft der Fabrikarbeiterin oder dem Fabrikarbeiter, der diese dazumals unter nicht so tollen Bedingungen gemacht hat allerdings nichts. Ich finde es gibt einerseits die Nachhaltigkeit in der Produktion und dann gibt es den sozialen Aspekt, den ich auch sehr wichtig finde. Aber machen wir uns nix vor, die nachhaltigsten Produkte sind die, die wir nicht kaufen. Eigentlich ist ja sowieso unser Konsumverhalten das grösste Problem. Jedenfalls: Die nachhaltigste Hose ist die, auf die ich verzichte, die zweitnachhaltigste ist die, die ich repariert habe oder Secondhand gekauft habe und dann erst kommen die Produkte ins Spiel, die so produziert wurden, dass sie sehr lange halten, die man reparieren kann und die man mit Material und Techniken produziert hat, die nicht schädlich für die Natur sind. Und darum ist bei uns das Design auch sehr reduziert. Man kann unsere Kleider in 5 Jahren noch tragen, ohne dass sie aus der Mode kommen.


Wie ist eure Beziehung zu euren Produzenten?
Die guten Arbeitsbedingungen bei der Produktion unserer Produkte sind garantiert. Wir kennen unsere Produzenten. Da unsere Produktionsmengen nicht hoch sind haben wir oftmals nicht erste Priorität. Um also sicherzustellen, dass wir beliefert werden und die Qualität unseren Vorstellungen entspricht, kommen wir nicht drumherum vor Ort vorbeizuschauen. Kalle ist immer wieder mal in Portugal oder Italien und bespricht Details und versucht Probleme direkt mit dem Hersteller zu lösen. Das sind Experten in ihrem Gebiet die das zum Teil bereits ihr ganzes Leben machen, da es oft Familienbetriebe sind. Das Wissen wird so von Generation zu Generation weitergegeben. Es ist gut, dass wir kleineren Produktionsstätten mit guten Standards Arbeit geben können.


Woher kommt deine Einstellung zur Nachhaltigkeit?
Ich bin auf einem kleinen Bauernhof aufgewachsen. Das hat meine Einstellung zur Nachhaltigkeit bestimmt beeinflusst. Wir hatten einen riesigen Gemüsegarten. Wir hatten auch Getreidefelder und haben unser eigenes Mehl machen lassen, Obstbäume, früher auch Kartoffelfelder. Es war nicht gleich selbstversorgend, das wäre zu idyllisch, aber es gab schon sehr vieles vom eigenen Hof. Und wir hatten natürlich ein gutes Netzwerk mit anderen Bauern und konnten so Fleisch, Käse etc. lokal beziehen. Somit wussten wir, wie die Tiere gehalten wurden, was gespritzt wurde und was nicht. Da ist bei mir seit Kindheit ein sehr klares Bewusstsein da, insbesondere für die lokale Produktion. Nachhaltigkeit ist aber natürlich in vielen Lebensbereichen ein Thema. Man kann sich so anziehen, so pflegen, unverpackt einkaufen – aber halt auch nachhaltig in die Ferien und mit wenig Energieverschleiss wohnen etc. Da versuche ich, möglichst gute Entscheidungen zu treffen. Man kann nicht von heute auf Morgen einfach alles perfekt lösen. Das ist ein sehr hoher Anspruch an sich selbst. Aber zum Glück gibt es ein wachsendes Angebot an Labels, die den gleichen Grundsatz wie wir haben. Ich würde sagen, da sind wir alle zusammen immerhin auf einem guten Weg.


Du bist ja ursprünglich Grafikerin. Wo sind die Schnittpunkte zwischen Soeder und
Grafikdesign?

Es hat sehr viele Schnittpunkte. Das Design von Soeder, könnte man sagen ist grafisch, da es sehr reduziert ist. Die Warenpräsentation im Laden – wofür ich auch verantwortlich bin – ist extrem minimalistisch. Du siehst Winkel, Farbkombinationen, du siehst immer ein Thema. Das ist eigentlich Grafik pur. In der Grafikerschule wird das ästhetische Auge geschult und die eigene Haltung im Design, davon profitiere ich nun natürlich bei meiner Arbeit hier im Laden. Konkret profitieren wir von meiner Ausbildung sicher auch, wenn etwas Grafisches benötigt wird und ich das rasch machen kann, wie ein Flyer oder eine Broschüre. Das Wesen der Designsprache von Soeder habe ich nicht mitgestaltet, aber es entspricht mir. Es kommt auch nicht von irgendwo, dass wir viele Architekten und Grafiker als Kunden haben. Das Design spricht Leute von meinem Umfeld auch an.


Was sind Reaktionen zu Soeder?
Unser Kundenstamm ist generell sehr breit. Wir haben junge sowie ältere Leute, die mit viel Geld und die mit weniger. Ich hatte mal Kinder hier, die gespart haben um für den Geburtstag ihrer Mutter bei Soeder etwas kaufen zu können. Next Generation, ich glaube daran! (lacht) Der Grund warum diese breite Gruppe an Leuten bei uns einkaufen ist nicht immer die Nachhaltigkeit. Gewisse Leute mögen einfach unseren Stil und bekommen dazu ganz nebenbei noch ein nachhaltiges Produkt.
Unser Laden ist ziemlich klein, da spricht man mit fast jedem Kunden der hereinkommt. Man spürt rasch heraus was den Kunden im Sortiment fehlt, oder was toll zu haben wäre. Diese Inputs werden dann weitergeleitet und das Kernteam entscheidet dann, welche Produkte umgesetzt werden. Es gibt intern eine ziemlich lange Liste von Produkten, die wir gerne herstellen möchten. Man darf nicht unterschätzen, wieviel Zeit und Arbeit in die Entwicklung und Umsetzung eines Produktes geht. Wir müssen wirklich überzeugt sein, um den Aufwand rechtfertigen zu können.



Wer sind deine Lieblingskunden?
Das ist eine schwierige Frage. Ich liebe meine Kunden! Ich habe extrem tolle Kunden, die wirklich Freundschaftspotenzial haben. Ich finde es interessant, was für Gespräche mit ihnen aufkommen. Das interessante ist, dass Leute mit ganz unterschiedlichen Interessen reinkommen und man führt oftmals sehr persönliche Gespräche. Zum Beispiel über das aktuellste Produkt. Zurzeit ist dies unser Naturgleitmittel, welches wir offen im Laden präsentieren und verkaufen. Anfangs hatten wir selbst etwas Hemmungen, weil wir nicht wussten, was es für Reaktionen im Laden auslösen würde, ob es unangenehme Gespräche geben würde oder nicht. Aber es ist super unverkrampft! Es gibt dieses starzige Wort "Geschlechtsverkehr", das liebe ich seither. Es ist das umständlichste Wort ever für eine so schöne Sache (lacht). Mittlerweile finde ich es äusserst praktisch, denn damit kann man automatisch ganz sachlich über das Thema reden. Aber die Basler sind da sowieso sehr offen, erstaunlicherweise gerade die älteren Kunden. Und die Schachtel sieht sehr neutral aus, ich denke das ist auch ein Grund, weshalb wir es auch vor Ort und nicht nur online gut verkaufen. Ausserdem steht es im Gestell nicht neben exzentrischen Sextoys oder so, sondern neben ebenfalls ganz alltäglichen, natürlichen Pflegeprodukten. Ich glaube das Verhalten unserer Besucher beim Gleitmittel zeigt, dass da ein grosses Vertrauen für Soeder da ist.


Sind alle Kunden so relaxed?
Es gab da einen älteren Herren, gut über 60, der problemlos sagte, dass er gerne dieses Gleitmittel hätte, wie das denn so sei und was an unserem speziell wäre. Ich sagte ihm, er könne gerne auf der Hand testen wie es sich auf der Haut anfühle, dass der PH Wert sehr ähnlich sei, wie der in der Vagina, er solle auch daran riechen und könne es nachher gerne abwaschen. Wir haben ja ein Brünneli mit Seife im Laden. So konnte ich mit ihm ein ganz normales Gespräch führen. Jüngere Leute oder Gleichaltrige schauen es sich meist lieber an, wenn niemand sonst im Laden ist.


Wenn du 5 Jahre in die Zukunft schaust, wo bist du und wo ist Soeder?
Ich bin in Basel bei Soeder und daran den Laden weiterzuentwickeln. Wir wollen mehr tun als nur Produkte auszustellen und zu verkaufen. Ich möchte wirklich, dass wir ein Ort werden, wo die Leute auch vorbeikommen können, um Hallo zu sagen, ein Schwätzchen zu halten oder einen Kaffee zu trinken ohne, dass sie das Gefühl haben, etwas kaufen zu müssen. Es wäre schon die Hoffnung, dass wir unsere Grundphilosophie und unsere Haltung auch mit anderen Sachen als nur den Produkten ausdrücken können. Sei es mit Dienstleistungen oder Workshops, Lesungen oder zur verfügung gestellten Informationen. Das würden wir gerne verstärken. Den Raum dafür haben wir bald und deswegen sehe ich nicht, warum das in fünf Jahren auch nicht so sein sollte. Mit Soeder ist es ein furchtloser Vorwärtsgang. Der Traum wäre natürlich eine eigene Manufaktur und vielleicht sogar eigene Baumwoll-Felder aufzubauen. Oder Schafe zu halten – von Rohmaterial bis zum Schluss alles selbst machen, kontrollieren und Verantwortung übernehmen. So könnte man selbst entscheiden wie, wo und wann die Kleider hergestellt werden. Ich habe mich schonmal gefragt, was wir mit dem Land unseres Bauernhofs machen werden. Man könnte Hopfen anpflanzen, oder vielleicht Flachs für Leinen. Aber das ist nochmals ein ganz anderes Level. Aber es wäre sicherlich interessant und gut. Und je grösser die Soeder-Familie wird, je mehr Leute man kennt, gerne hat, beschäftigen kann und fürs eigene Projekt einspannen kann, naja, umso besser – da habe ich absolut nichts dagegen, nur mit Freunden zu arbeiten.

Wie wärs mal mit...
...weniger?



Schon bald wird der Traum von mehr als nur einem Laden wahr. Bei Soeder mal kurz Hallo sagen, Leute aus aller Ort, Zeit und Sinnung treffen und über eines der wichtigsten Themen unserer Zeit sprechen – das geht ab 2. Juni 2018 an der Schützenmattstrasse 11, Basel.


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von Esther Steiner
am 28.05.2018

Fotos
© Caroline Hancox für Wie wär's mal mit


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