«Together Bistro | Laden» und «Lorraine Édition»: Im Gespräch mit Tausendsassa Alexandre Schor

Alexandre Schor lebt in der Lorraine und bietet hier im «Together Bistro | Laden» in Bern nebst Weinen seiner Familie Domaine du Vieux Chai aus Südfrankreich auch eigene Rezepturen unter dem Label «Lorraine Édition» an. Alles wird in kleinen Chargen und aus natürlichen Zutaten produziert. Wer Alex ist und was ihn antreibt, erzählt er uns im Gespräch.


Lieber Alex, wer bist du und was treibt dich im Leben an?
Das muss ich überlegen. Ich bin Alex, 42, und wohne neuerdings in der Lorraine in Bern. Ich bin in Genf geboren, meine Mutter ist Schweizerin, aber in Marseille geboren, meine Ugrossmutter stammt aus Madagaskar, meine Grossmutter aus der Ukraine. Ich habe meine Wurzeln dank dem Internet wiedergefunden, mein Name stammt tatsächlich aus Rumänien.

2003 kam ich wieder in die Schweiz, davor war ich in Frankreich mit meiner Familie. Mit 17 bin ich von Zuhause weg, danach gab mir mein Vater meinen Schweizer Pass und hat gesagt, ich soll gut darauf aufpassen, da er 20’000 Franken wert sei. Daraufhin bin ich viel gereist. Ich war mit dem Zug in ganz Frankreich unterwegs, insgesamt 185 Mal. Danach ging ich nach London, das war auch der Anfang der «Teknival» oder «Free Parties», wie wir unsere illegalen Technoparties nannten.

Es gab viele Reisende damals, die in Lastwagen umhergezogen sind und gefeiert haben. Es gab aber auch viele leerstehende Wohnungen, die besetzt wurden. Sie waren ein Traum, es gab Strom, Gas und Wasser gratis, das waren viel bessere Konditionen, um ein Haus zu besetzen, als in Frankreich. Das war im Jahr 1998/99. Ich hatte dann ein Haus mit meiner damaligen Freundin besetzt, welches wir auch an junge Student*innen vermietet haben und dazu eine Bar betrieben. Danach ging ich nach Südfrankreich, Spanien, ein Jahr war ich in Marokko und zwei Jahre in Italien. Wir haben heutzutage das Zusammensein und die einfachen Dinge in der Gesellschaft etwas verlernt. Ich wünsche mir wieder mehr Verbundenheit. Das treibt mich besonders an in meinem Leben.


«Together Bistrot/Laden» – was steckt hinter der Gründung deines Geschäfts?
Meine Familie hat ein Weingut in Südfrankreich und ich wollte seit 10 Jahren eine Weinbar eröffnen. Ich produziere mittlerweile selber Likör und Schnaps. Es ist möglich und mein Herzenswunsch, beispielsweise einen sehr guten Wein von einem Familienbetrieb ohne Pestizide und zu einem guten Preis an Kund*innen zu verkaufen. Und das ganze in einem schönen Lokal in der Berner Altstadt als UNESCO Weltkulturerbe. Ich sehe sehr viele Produkte, die überteuert sind, ich möchte den Leuten etwas Qualitatives verkaufen und ihnen neue Produkte vorstellen in einer schönen Umgebung.


«Together»/«Le Vigneron» – Warum der Name?
Ich habe die Weinhandlung «Vigneron F&T» selber und «Together» mit «Foodathome» gegründet, wir mussten einen Namen für die Fusion finden – das war dann ganz simpel «Together». [lacht] Dazu besitze ich den Brand «Lorraine Édition» und das Bistrot nennt sich «together».

Beschreibe dein Geschäft in drei treffenden Worten.
Qualitativ, unkompliziert und für alle.

Was zeichnet die Auswahl an Produkten aus? Was ist dein Lieblingsprodukt?
Ich liebe meinen Wein. Wir haben die Trauben gemeinsam geerntet in einem kleinen Dorf mit 50 Einwohner*innen. Wir bauen alles selber an.


Was ist für die Zukunft geplantl?
Ab dem 26. Mai bin ich hier selbständig, weil «Foodathome» aufhört. Persönlich möchte ich unabhängig und frei bleiben und meine Tochter zu einem wachen und freien Mensch erziehen. Für das Bistrot möchte ich genau dieses Gefühl weitergeben, indem ich keine grossen, lukrativen Brands vertreibe, sondern Produkte verkaufe, die ich teils sogar von Hand hergestellt habe.

Ein Song oder eine Playlist, die «Together» am besten widerspiegelt?



Ich habe eine melancholische Seite. Ich mag das Lied «Soleil du Nord» von Oxmo Puccino sehr gerne, ein französisches Lied. Ich bin in einem Ghetto in Frankreich aufgewachsen, wir hatten wenig Geld. Puccino singt in dem Lied von der Sonne, die das Leben schöner macht. Als er jung war, dachte er, die Wolken kämen von den Cheminées und der Nebel vom Fenster. Danach trifft er eine Frau und geht mit ihr in den Süden und dort wird alles gut.


Ich greife dieses Gefühl von der Sehnsucht nach dem Süden mit meinem Laden auf, ich möchte die Routine brechen. Damit sie von der «Misère» fliehen können, der täglichen Routine, wie wir dies in Frankreich nennen.


Welche Orte in Bern empfiehlst du unserer Leserschaft?
Die Lorraine, am besten auf dem Fahrrad.


Wovon braucht die Schweiz mehr und wovon weniger?
Wir brauchen mehr starke Leute in der Politik, aber auch sonst. Uns fehlt, aufgrund des Wohlstands, momentan die Kraft, weiterzugehen. Als ich in die Schweiz kam, sah ich so viele Möglichkeiten und hatte viele Visionen, obwohl ich nichts besass. Wenn du hier lebst, siehst du aber diese Möglichkeiten nicht mehr. Es ist eine riesige Chance, hier zu leben. Ich habe 54 Länder bereist, habe auch auf der Strasse gelebt – ich weiss, was es heisst, arm zu sein. Wir verlieren das Gefühl des «Entbehrens». Das Leben ist nun mal nicht «lieb», das muss man akzeptieren. Und zusätzlich gab es noch nie so viele junge Leute mit psychischen Problemen. Es fehlt in meinen Augen das Zusammensein und auch die wirkliche Toleranz.

Wie wär’s mal mit...?
...mehr Leidenschaft. 


Danke, lieber Alex, dass du dir Zeit genommen, uns deinen schöne Laden gezeigt und uns mit einer grossen Portion Optimismus beschenkt hast. Wir kommen bald wieder und bringen alle unsere Freund*innen mit – und auf das Leben anzustossen!


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von Linda Christa Bill
am 16.05.2022

Fotos
© Laura Binggeli für Wie wär's mal mit



Wer die Bilder weiterverwenden möchte, muss sich die Rechte bei Wie wär’s mal mit einholen.








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