Ueli-Fähri Basel: Im Gespräch mit Fährimaa Mario Semadeni
Das Münster, die Basler Läckerli und die Fähri machen Basel zu dem, was es ist – so zumindest, wenn grosszügig in die Kitsch- und Klischee-Schublade gegriffen wird. Doch was sind diese kleinen Boote eigentlich, die an vier Stellen den Rhein überqueren und wie ist es auf der Ueli-Fähri mit der stark befahrenen Dreirosenbrücke und dem Novartis Campus im Hintergrund? Wir sprachen mit Fährimaa Mario Semadeni.
Es ist ein warmer Sommertag im Juli 2024 in Basel. Der Rhein hat noch hohes Wasser von den starken Regenfällen der letzten Tage und gleicht eher einer braunen Suppe als einem idyllischen grünen Fluss. Wir gehen runter zum Steg und sehen schon, wie die Ueli-Fähri von der Kleinbaselseite langsam zu uns rüberfährt. Das monochrome Rauschen der Autos in und auf der Dreirosenbrücke verschmilzt mit dem Rauschen des Wassers. Wir überraschen Mario Semadeni, heute mit dem Gespräch.
«Also, wenn ich gewusst hätte, das ihr heute kommt, hätte ich ein weisses Hemd angezogen.» [Mario schmunzelt]
Mario, wie lange bist du schon Fährimaa hier auf der Ueli-Fähri und wie bist du überhaupt dazu gekommen?
Seit 13 Jahren und wie die Jungfrau zum Kinde – also eher unerwartet und ungeplant. Entstanden ist es durch ein Fondue-Essen das wir hier auf der Fähri mit ein paar Freunden hatten. Weil ich die Quittung für diesen Abend vergessen hatte, bin ich später nochmals zurück und der damalige Pächter meinte dann zu mir, dass er noch neue «Ablöser» bräuchte und fragte ob ich Lust dazu hätte – ich meinte dann, dass ich schon dümmeres gemacht habe.
Wie ist die Fähri eigentlich organisiert?
Also die vier Fähren hier in Basel gehören der Stiftung Basler Fähren. Diese wiederum verpachten die einzelnen Boote. Der*die Pächter*in muss sich dann selbst organisieren. Die Stiftung gibt die Öffnungszeiten und die Fahrtpreise vor. Was wir dann links und rechts davon machen (im Winter Fondue und Sommer Apéro) ist dann uns überlassen. In unserem Falle ist der Pächter der Michael Sackmann. Alle zusammen sind wir zu acht hier auf der Ueli-Fähri.
Was verbindet euch im Team?
Der gemeinsame Nenner ist natürlich die Fähri und dass wir flexibel von den Arbeitszeiten sind. Der Alex an der Münster-Fähri macht das zum Beispiel hauptberuflich aber wir hier machen das alle nebenberuflich, quasi als Hobby. Nicht jede Fähri ist also gleich organisiert.
Wie ist denn das Geschlechterverhältnis auf der Fähri?
So ungefähr 1/3 zu 2/3. Also das war ja lange Zeit ein Tabu: eine Fährifrau. Aber in der Zwischenzeit… wir haben in unserem Team zwei Frauen und auf der St. Alban-Fähri ist es sogar eine Pächterin. Also Frauen sind gut vertreten, wenn auch nicht 50 zu 50. Ich glaube aber auch, dass das damit zu tun hat, dass vielleicht weniger Frauen einen Motorboot- oder Segelbootschein machen – was ja Voraussetzung wäre.
Arbeitest du nebenan noch etwas?
Ja, ich bin Feuerwehrmann und da ich Schichtarbeit mache, bin ich meistens jener der einspringt, wenn es gerade mal notwendig ist. [Ein Fahrgast steigt aus, Mario verabschiedet sich und wünscht noch viel Spass mit der Schwiegermutter] So jetzt machen wir das ganze etwas schneller, weil da drüben [Kleinbasel] warten Leute. Wichtig ist immer zu schauen was ringsum los ist, weil die anderen haben grundsätzlich Vortritt.
Kommst du aus Basel?
Ja, so halbwegs, ich komme aus Muttenz. Die Kindheit habe ich in Basel verbracht, dann bin ich ins Unterbaselbiet gezogen und dann zurück nach Muttenz. Ich würde aber nicht behaupten, dass ich ein Ur-Basler bin.
Du bist also Feuerwehrmann und Fährimaa in Basel, da scheinst du aber schon sehr in der Stadt verwurzelt zu sein.
Ja, das stimmt, ein stückweit zumindest sicher. [Mario schmunzelt]
Bist du auch als Kind schon Fähri gefahren oder ist die Fähri erst später in dein Leben gekommen?
Also die Fähri begleitet mich schon ein Leben lang. Mit den Grosseltern oder Urgrosseltern ist man halt Fähri fahren gegangen, das war immer ein Highlight – also für mich zumindest.
Was macht die Ueli-Fähri für dich aus?
[Eine Familie mit einer kleinen Tochter steigt ein, Mario begrüsst das Mädchen als Prinzessin.]
Hier bei uns auf der Fähri sind wir so ein bisschen am Popo von Basel, wir sind eigentlich die, die am wenigsten Gäste haben, das heisst aber auch, dass wir Zeit für anderes haben. Da kommen Menschen, die in der Mittagspause vorbeikommen und einfach ein bisschen chillen, dann müssen wir wiederum auch nicht pressieren. Der Unterschied ist sicher auch, dass wir weniger Laufkund*innen wie etwa die Fähri am Münster haben. Die haben dort natürlich viele Touristen. Wir haben mehr lokale Kund*innen, die aus dem Quartier kommen. Es gibt zum Beispiel auch zwei Schüler*innen, die ein Dauer-Abo haben und nach der Schule immer die Fähri, anstatt das Tram für den Nachhauseweg nehmen.
[«Wir sind auch hier aus dem Quartier», meint der Vater der «Prinzessin» und ergänzt, dass die Tochter auch mit der Kita hier immer mal wieder auf die Fähri kommt.]
Nun ja, die Münster-Fähri ist vielleicht schon schöner als jetzt hier mit der Novartis hinten dran. Aber was ich eben sehr schätze, ist, dass vom Novartis CEO bis zu Bettler*innen hier alle vorbeikommen – hier sitzen wir alle im selben Boot.
Im Inneren der Fähri hat es historische Fotos und Dokumente hängen, darauf steht Schlachthaus-Fähre. Was bedeutet das?
Früher war hier, noch bevor die Dreirosenbrücke da war, das Schlachthaus der Stadt Basel. Damals wurde die Fähri als Transportmittel genutzt – hauptsächlich von den Arbeiter*innen des Schlachthauses. Deswegen also Schlachthaus-Fähre. Die Brücke hatte dann die Fähri abgelöst und längere Zeit gab es dann keine mehr. Erst 1989 wurde wieder eine Fähri hier in Betrieb genommen.
Von wo kommt denn der Name Ueli?
Das weiss ich nicht genau. Aber die anderen Fähren sind ja der Vogel Gryff, der Leu und der Wild Maa, alles wichtige Figuren in Basel und der Ueli ist ja früher derjenige gewesen, der Geld für Waisenhäuser und Benachteiligte sammelte. Der Ueli ist bei den anderen dreien halt auch immer irgendwie dabei gewesen. Genaueres müsste man glaube ich irgendwo in Geschichtsbüchern nachlesen.
Hast du einen Lieblingsmoment hier auf der Fähri?
Du siehst hier teilweise Menschen, die in einer Hektik den Steg runterkommen und dann sobald sie auf der Fähri sind, kann man regelrecht zusehen, wie sie sich beruhigen und entspannen – die Fahrt ist dann quasi 5 Minuten Ferien. Und wenn sie wieder gehen, hasten sie wieder davon, schon absurd, oder? So als Fährimaa ist man so zwischen den Welten und als Fährimaa bist du manchmal für 5 Minuten Freund und/oder Psychiater für die Menschen – vielleicht ein bisschen wie beim Haarsalon, vielleicht ist es jeweils einfach gerade der richtige Zeitpunkt und der richtige Ort. Manchmal sieht man, wie es den Menschen gerade gut tut hier auf der Fähri zu sein und wie diese das gerade brauchen. Das Schöne, vielleicht weil wir nicht so viele Gäste haben, ist, dass wir den Menschen in diesen Momenten den Raum geben können. Es ist mal eine Frau bei mir in der Fähri gewesen und da habe ich richtig gemerkt, dass etwas nicht stimmt und als sie wieder davon hasten wollte, habe ich ihr gesagt, dass sie einfach sitzen bleiben kann: solange sie möchte, solange sie es braucht, wie es ihr gerade gut tut. Aber hier auf der Fähri kannst du von Anfang Leben bis Ende Leben eigentlich alles haben: Heiratsanträge, Taufen, Apéro, Geburtstagsfeste, Fondue-Essen bis hin zu Bestattungen.
Ich mache zum Beispiel sehr gerne Bestattungen. Da hat man die gesamte menschliche Bandbreite – von Bestattungen, in denen alle in schwarz gekleidet sind, bis hin zu Festen bei denen Musik gemacht und getanzt wird. Eben, von Anfang bis Ende Leben alles. Bei Rhein-Bestattungen haben wir auch oft deutsche Kund*innen, weil das in Deutschland nicht erlaubt ist. Wir hatten mal eine Familie aus Köln, da ist der Vater gestorben. Der wusste das aber schon im Voraus und hat seine Bestattung selber organisiert. Als die Witwe mit den zwei erwachsenen Kindern also vorbeigekommen ist, habe ich gefragt: «Köln, wieso seid ihr nicht nach Holland, das wäre doch näher?» Sie meinte dann, dass ihr Mann sehr verbunden mit dem Wasser gewesen sei und nochmals zu Hause (in Köln) vorbeikommen wollte. Das habe ich dann sehr schön gefunden.
Oder auch wenn hier ein Antrag gemacht wird, das ist auch sehr schön. Also so bis jetzt hat noch jede ja gesagt. [Mario schmunzelt] Ansonsten wäre es auch ein bisschen eine unangenehme restliche Fahrt. Nun ja, mein Problem wäre das ja nicht, das wird es erst, wenn er dann in den Rhein springt oder so. [Mario unterdrückt sein Lachen]
Oh, kennst du den Spruch: «erzähl das dem Fährimaa»?
Ja, den habe ich schon gehört
Weisst du, woher der kommt?
Em, nicht wirklich.
Früher, als es noch keine Brücken gegeben hat, ist der Fährimaa auch Nachrichtenüberbringer gewesen. Jetzt kannst du dir vorstellen, wie das wohl rausgekommen ist – du kennst doch das Telefonspiel, da kommt am Ende ja auch immer was ganz Falsches raus. Beim Fährimaa wahr das wohl nicht anders. Daraus ist dann der Spruch: «erzähle das dem Fährimaa» entstanden, so nach dem Motto: dieser Schwachsinn stimmt doch nicht und deswegen spielt es auch keine Rolle, wenn der Fährimaa es nochmals «falscher» weitererzählt.
Fährst du extra langsam, wenn du Gäste auf dem Boot hast?
Ja, denn die Gäste wollen es ja geniessen und hier auf dieser Fähri bekommen sie am meisten fürs Geld, denn hier ist der Rhein am breitesten, also sind sie auch am längsten unterwegs. Aber der schnellste Rekord sind glaube ich 1.5 Minuten für eine Überquerung, aber nur wenn das Ruder ganz eingeschlagen ist.
Springst du eigentlich auch teilweise ins Wasser zum Baden?
Ja, sicher.
Von der Fähri aus?
Nein, also ich fahre natürlich erst rüber auf die Kleinbaselseite und springe dort vom Ufer schnell rein. Aber natürlich nur, wenn ich gerade keine Gäste habe. Was man auch machen kann, wenn man nicht alleine ist, ist Fähri-Surfen. Dafür macht man das lange Seil fest, springt rein und lässt sich dann von dem Seil mitziehen. Man muss dann einfach schauen wegen der Badehose. Das ist sehr cool! Ist aber nicht ganz legal. Das sind leider noch viele lustige Dinge. Das meiste das lustig ist macht entweder dick oder ist nicht legal. [Mario zuckt mit den Schultern]
Wie wär’s mal mit…
…auf die Fähri gehen?
Vielen Dank an Mario für den Blick hinter die Kulissen auf der Basler Ueli-Fähri.
_
von Xena Paloma Stucki
am 12.08.2024
Fotos
© Paula Beck für Wie wär's mal mit
Wer die Bilder weiterverwenden möchte, muss sich die Rechte bei Wie wär’s mal mit einholen.
Es ist ein warmer Sommertag im Juli 2024 in Basel. Der Rhein hat noch hohes Wasser von den starken Regenfällen der letzten Tage und gleicht eher einer braunen Suppe als einem idyllischen grünen Fluss. Wir gehen runter zum Steg und sehen schon, wie die Ueli-Fähri von der Kleinbaselseite langsam zu uns rüberfährt. Das monochrome Rauschen der Autos in und auf der Dreirosenbrücke verschmilzt mit dem Rauschen des Wassers. Wir überraschen Mario Semadeni, heute mit dem Gespräch.
«Also, wenn ich gewusst hätte, das ihr heute kommt, hätte ich ein weisses Hemd angezogen.» [Mario schmunzelt]
Mario, wie lange bist du schon Fährimaa hier auf der Ueli-Fähri und wie bist du überhaupt dazu gekommen?
Seit 13 Jahren und wie die Jungfrau zum Kinde – also eher unerwartet und ungeplant. Entstanden ist es durch ein Fondue-Essen das wir hier auf der Fähri mit ein paar Freunden hatten. Weil ich die Quittung für diesen Abend vergessen hatte, bin ich später nochmals zurück und der damalige Pächter meinte dann zu mir, dass er noch neue «Ablöser» bräuchte und fragte ob ich Lust dazu hätte – ich meinte dann, dass ich schon dümmeres gemacht habe.
Wie ist die Fähri eigentlich organisiert?
Also die vier Fähren hier in Basel gehören der Stiftung Basler Fähren. Diese wiederum verpachten die einzelnen Boote. Der*die Pächter*in muss sich dann selbst organisieren. Die Stiftung gibt die Öffnungszeiten und die Fahrtpreise vor. Was wir dann links und rechts davon machen (im Winter Fondue und Sommer Apéro) ist dann uns überlassen. In unserem Falle ist der Pächter der Michael Sackmann. Alle zusammen sind wir zu acht hier auf der Ueli-Fähri.
Was verbindet euch im Team?
Der gemeinsame Nenner ist natürlich die Fähri und dass wir flexibel von den Arbeitszeiten sind. Der Alex an der Münster-Fähri macht das zum Beispiel hauptberuflich aber wir hier machen das alle nebenberuflich, quasi als Hobby. Nicht jede Fähri ist also gleich organisiert.
Wie ist denn das Geschlechterverhältnis auf der Fähri?
So ungefähr 1/3 zu 2/3. Also das war ja lange Zeit ein Tabu: eine Fährifrau. Aber in der Zwischenzeit… wir haben in unserem Team zwei Frauen und auf der St. Alban-Fähri ist es sogar eine Pächterin. Also Frauen sind gut vertreten, wenn auch nicht 50 zu 50. Ich glaube aber auch, dass das damit zu tun hat, dass vielleicht weniger Frauen einen Motorboot- oder Segelbootschein machen – was ja Voraussetzung wäre.
Arbeitest du nebenan noch etwas?
Ja, ich bin Feuerwehrmann und da ich Schichtarbeit mache, bin ich meistens jener der einspringt, wenn es gerade mal notwendig ist. [Ein Fahrgast steigt aus, Mario verabschiedet sich und wünscht noch viel Spass mit der Schwiegermutter] So jetzt machen wir das ganze etwas schneller, weil da drüben [Kleinbasel] warten Leute. Wichtig ist immer zu schauen was ringsum los ist, weil die anderen haben grundsätzlich Vortritt.
Kommst du aus Basel?
Ja, so halbwegs, ich komme aus Muttenz. Die Kindheit habe ich in Basel verbracht, dann bin ich ins Unterbaselbiet gezogen und dann zurück nach Muttenz. Ich würde aber nicht behaupten, dass ich ein Ur-Basler bin.
Du bist also Feuerwehrmann und Fährimaa in Basel, da scheinst du aber schon sehr in der Stadt verwurzelt zu sein.
Ja, das stimmt, ein stückweit zumindest sicher. [Mario schmunzelt]
Bist du auch als Kind schon Fähri gefahren oder ist die Fähri erst später in dein Leben gekommen?
Also die Fähri begleitet mich schon ein Leben lang. Mit den Grosseltern oder Urgrosseltern ist man halt Fähri fahren gegangen, das war immer ein Highlight – also für mich zumindest.
Was macht die Ueli-Fähri für dich aus?
[Eine Familie mit einer kleinen Tochter steigt ein, Mario begrüsst das Mädchen als Prinzessin.]
Hier bei uns auf der Fähri sind wir so ein bisschen am Popo von Basel, wir sind eigentlich die, die am wenigsten Gäste haben, das heisst aber auch, dass wir Zeit für anderes haben. Da kommen Menschen, die in der Mittagspause vorbeikommen und einfach ein bisschen chillen, dann müssen wir wiederum auch nicht pressieren. Der Unterschied ist sicher auch, dass wir weniger Laufkund*innen wie etwa die Fähri am Münster haben. Die haben dort natürlich viele Touristen. Wir haben mehr lokale Kund*innen, die aus dem Quartier kommen. Es gibt zum Beispiel auch zwei Schüler*innen, die ein Dauer-Abo haben und nach der Schule immer die Fähri, anstatt das Tram für den Nachhauseweg nehmen.
[«Wir sind auch hier aus dem Quartier», meint der Vater der «Prinzessin» und ergänzt, dass die Tochter auch mit der Kita hier immer mal wieder auf die Fähri kommt.]
Nun ja, die Münster-Fähri ist vielleicht schon schöner als jetzt hier mit der Novartis hinten dran. Aber was ich eben sehr schätze, ist, dass vom Novartis CEO bis zu Bettler*innen hier alle vorbeikommen – hier sitzen wir alle im selben Boot.
Im Inneren der Fähri hat es historische Fotos und Dokumente hängen, darauf steht Schlachthaus-Fähre. Was bedeutet das?
Früher war hier, noch bevor die Dreirosenbrücke da war, das Schlachthaus der Stadt Basel. Damals wurde die Fähri als Transportmittel genutzt – hauptsächlich von den Arbeiter*innen des Schlachthauses. Deswegen also Schlachthaus-Fähre. Die Brücke hatte dann die Fähri abgelöst und längere Zeit gab es dann keine mehr. Erst 1989 wurde wieder eine Fähri hier in Betrieb genommen.
Von wo kommt denn der Name Ueli?
Das weiss ich nicht genau. Aber die anderen Fähren sind ja der Vogel Gryff, der Leu und der Wild Maa, alles wichtige Figuren in Basel und der Ueli ist ja früher derjenige gewesen, der Geld für Waisenhäuser und Benachteiligte sammelte. Der Ueli ist bei den anderen dreien halt auch immer irgendwie dabei gewesen. Genaueres müsste man glaube ich irgendwo in Geschichtsbüchern nachlesen.
Hast du einen Lieblingsmoment hier auf der Fähri?
Du siehst hier teilweise Menschen, die in einer Hektik den Steg runterkommen und dann sobald sie auf der Fähri sind, kann man regelrecht zusehen, wie sie sich beruhigen und entspannen – die Fahrt ist dann quasi 5 Minuten Ferien. Und wenn sie wieder gehen, hasten sie wieder davon, schon absurd, oder? So als Fährimaa ist man so zwischen den Welten und als Fährimaa bist du manchmal für 5 Minuten Freund und/oder Psychiater für die Menschen – vielleicht ein bisschen wie beim Haarsalon, vielleicht ist es jeweils einfach gerade der richtige Zeitpunkt und der richtige Ort. Manchmal sieht man, wie es den Menschen gerade gut tut hier auf der Fähri zu sein und wie diese das gerade brauchen. Das Schöne, vielleicht weil wir nicht so viele Gäste haben, ist, dass wir den Menschen in diesen Momenten den Raum geben können. Es ist mal eine Frau bei mir in der Fähri gewesen und da habe ich richtig gemerkt, dass etwas nicht stimmt und als sie wieder davon hasten wollte, habe ich ihr gesagt, dass sie einfach sitzen bleiben kann: solange sie möchte, solange sie es braucht, wie es ihr gerade gut tut. Aber hier auf der Fähri kannst du von Anfang Leben bis Ende Leben eigentlich alles haben: Heiratsanträge, Taufen, Apéro, Geburtstagsfeste, Fondue-Essen bis hin zu Bestattungen.
Ich mache zum Beispiel sehr gerne Bestattungen. Da hat man die gesamte menschliche Bandbreite – von Bestattungen, in denen alle in schwarz gekleidet sind, bis hin zu Festen bei denen Musik gemacht und getanzt wird. Eben, von Anfang bis Ende Leben alles. Bei Rhein-Bestattungen haben wir auch oft deutsche Kund*innen, weil das in Deutschland nicht erlaubt ist. Wir hatten mal eine Familie aus Köln, da ist der Vater gestorben. Der wusste das aber schon im Voraus und hat seine Bestattung selber organisiert. Als die Witwe mit den zwei erwachsenen Kindern also vorbeigekommen ist, habe ich gefragt: «Köln, wieso seid ihr nicht nach Holland, das wäre doch näher?» Sie meinte dann, dass ihr Mann sehr verbunden mit dem Wasser gewesen sei und nochmals zu Hause (in Köln) vorbeikommen wollte. Das habe ich dann sehr schön gefunden.
Oder auch wenn hier ein Antrag gemacht wird, das ist auch sehr schön. Also so bis jetzt hat noch jede ja gesagt. [Mario schmunzelt] Ansonsten wäre es auch ein bisschen eine unangenehme restliche Fahrt. Nun ja, mein Problem wäre das ja nicht, das wird es erst, wenn er dann in den Rhein springt oder so. [Mario unterdrückt sein Lachen]
Oh, kennst du den Spruch: «erzähl das dem Fährimaa»?
Ja, den habe ich schon gehört
Weisst du, woher der kommt?
Em, nicht wirklich.
Früher, als es noch keine Brücken gegeben hat, ist der Fährimaa auch Nachrichtenüberbringer gewesen. Jetzt kannst du dir vorstellen, wie das wohl rausgekommen ist – du kennst doch das Telefonspiel, da kommt am Ende ja auch immer was ganz Falsches raus. Beim Fährimaa wahr das wohl nicht anders. Daraus ist dann der Spruch: «erzähle das dem Fährimaa» entstanden, so nach dem Motto: dieser Schwachsinn stimmt doch nicht und deswegen spielt es auch keine Rolle, wenn der Fährimaa es nochmals «falscher» weitererzählt.
Fährst du extra langsam, wenn du Gäste auf dem Boot hast?
Ja, denn die Gäste wollen es ja geniessen und hier auf dieser Fähri bekommen sie am meisten fürs Geld, denn hier ist der Rhein am breitesten, also sind sie auch am längsten unterwegs. Aber der schnellste Rekord sind glaube ich 1.5 Minuten für eine Überquerung, aber nur wenn das Ruder ganz eingeschlagen ist.
Springst du eigentlich auch teilweise ins Wasser zum Baden?
Ja, sicher.
Von der Fähri aus?
Nein, also ich fahre natürlich erst rüber auf die Kleinbaselseite und springe dort vom Ufer schnell rein. Aber natürlich nur, wenn ich gerade keine Gäste habe. Was man auch machen kann, wenn man nicht alleine ist, ist Fähri-Surfen. Dafür macht man das lange Seil fest, springt rein und lässt sich dann von dem Seil mitziehen. Man muss dann einfach schauen wegen der Badehose. Das ist sehr cool! Ist aber nicht ganz legal. Das sind leider noch viele lustige Dinge. Das meiste das lustig ist macht entweder dick oder ist nicht legal. [Mario zuckt mit den Schultern]
Wie wär’s mal mit…
…auf die Fähri gehen?
Vielen Dank an Mario für den Blick hinter die Kulissen auf der Basler Ueli-Fähri.
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von Xena Paloma Stucki
am 12.08.2024
Fotos
© Paula Beck für Wie wär's mal mit
Wer die Bilder weiterverwenden möchte, muss sich die Rechte bei Wie wär’s mal mit einholen.