Urbanroots: Im Gespräch mit Scarlet Allenspach und Colin Gschwend

Um dem alljährlichen Massensterben städtischer Balkonpflanzen entgegenzuwirken, haben sich Pflanzenenthusiast Colin Gschwend und Balkonista Scarlet Allenspach zusammengetan und Urbanroots gegründet. Mit ihrem Saatgut-Abo kann jedes Stadtkind zum Urban Gardener werden und muss dafür nicht einmal einen grünen Daumen besitzen. Wie wär’s mal mit hat den Gärtner und die Designerin zum Interview getroffen und mit ihnen über «Roots» und «no Roots» gesprochen.


Wer seid ihr und was sind Eure Zuständigkeiten bei Urbanroots?
Scarlet: Mein Name ist Scarlet und ich bin die Initiantin von Urbanroots. Vor rund einem Jahr bin ich mit der Idee von Urbanroots auf Colin zugegangen. Ich bin zuständig für das Produkte- und Webdesign sowie für die gesamte Kommunikation, worunter natürlich auch alle Sozialen Medien fallen.

Colin: Ich bin Colin und bringe als Landschaftsgärtner mein Fachwissen und meine Kompetenzen bei Urbanroots ein. Ich verfasse die Texte und bin für die Planung zuständig.




Wie ist Urbanroots entstanden und wofür steht das Label?
Scarlet: Ich selbst pflege seit längerem eine Leidenschaft für das Gärtnern auf dem heimischen Balkon, aber ich habe gleichzeitig auch feststellen müssen, dass es schwierig ist, einen guten Einstieg in das Urban Gardening zu finden. Viele Infos sind nur in einem komplex formulierten Fachjargon zu finden, der für Laien oft unverständlich ist. Daraus heraus ist die Idee zu Urbanroots entsprungen, wo der einfache Einstieg anhand eines verständlichen Vokabulars und einer einfachen Planung gelingt.

Colin: Urbanroots steht aber nicht nur für das Angebot des Saatgut-Abonnements, sondern auch für eine Community von Gleichgesinnten, die Wert auf lokale, saisonale und biologische Produkte legen und sich für Themen wie Balkon, Garten und Nachhaltigkeit interessierten.



Wo und wie entsteht Euer Saatgut?

Colin: Wir haben in Sativa Rheinau einen wunderbaren Partner gefunden, der Bio-Saatgut in der Schweiz selbst herstellt und beispielsweise auch mit ProSpecieRara zusammenarbeiten. Für unser Saat-Abonnement haben wir vielfältige und vor allem robuste Sorten ausgewählt. Darunter fällt beispielsweise Saatgut, das man auch im Winter anbauen kann und welches sich zuhause selbst vermehren lässt.

Scarlet: Die Möglichkeit des Vermehrens war uns wichtig. Wir wollten keine Hybridsorten anbieten, deren Saatgut man einmal verwenden kann und im nächsten Jahr wieder neu kaufen muss.


Wenn ihr Urbanroots mit einem Song beschrieben müsstet, welcher wäre das?
Scarlet: «No Roots» von Alice Merton. Nicht nur wegen des Titels, sondern weil es im Text um unsere Generation geht, die sich in einer gewissen Weise entwurzelt fühlt und deren Bezug zur Natur abhandengekommen ist. Wir sind in der Stadt aufgewachsen und wissen zum Beispiel nicht mehr, dass Rosenkohl entlang des Stiels einer Staude wächst. Urbanroots möchte ein Stück des «Verwurzelt-Seins» wieder zurückbringen.



Colin: Weil Urbanroots eine wilde Sache ist, finde ich, dass auch ein wilder Song dazu passen würde – wie beispielsweise «Anemone» von The Brian Jonestown Massacre.






Woher kommt das Bedürfnis unserer Generation nach Gärtnern und eigenem Anbau?
Colin: Ein grosser Teil der Leute in unserem Alter lebt in der Stadt und manchen fehlt der Bezug zur Natur als Rückzugsort; deshalb sehnen wir uns vielleicht nach diesem eigenen grünen Raum des Sich-Abgrenzens. Man hat das Bedürfnis, selber etwas anzubauen, zu ziehen und Dinge beim Wachsen zu beobachten. Das ist ja auch immer ein ganz besonderes Erlebnis ursprünglicher Natur.

Scarlet: Vieles hat bestimmt auch mit unserer Lebensmittelindustrie zu tun. Man ist sich heute bewusst, dass für die Herstellung von Lebensmitteln oft Unmengen an Chemikalien verwendet werden. Und wo hat man bessere Kontrolle darüber, was man konsumiert, als wenn man das Produkt selbst angepflanzt hat? Dadurch hat man nicht nur die Garantie auf Frische, sondern versteht auch, was alles hinter den Prozessen steckt.


Auch Grossunternehmer wie die Migros setzen mittlerweile auf Infarm und bieten der Kundschaft frische Kräuter an, die direkt im Laden angebaut werden. Ist das bloss ein Trend, oder eher ein erster Schritt in Richtung
Zukunft?

Colin: Ich bin sicher, dass sich unsere Nahrungsmittelindustrie in diese Richtung entwickeln wird. Der Wunsch nach nachvollziehbaren und verkürzten Wegen ist auf jeden Fall da beim Konsumenten. Einen Teil der Landwirtschaft in die Verkaufsort der Städte zu integrieren, ist bestimmt eine Stossrichtung mit Zukunft.

Scarlet: Auch die Themen der Haltbarkeit und Frische spielen hierbei eine gross Rolle. Urban Farming ist auf jeden Fall eine gute Sache, trotzdem würde es in diesem Fallbeispiel wahrscheinlich mehr Sinn machen, wenn man die Produkte auf dem Dach der Migros anpflanzt und in den Laden runterbringt, als sie in der Filiale zu züchten.



Was macht ihr, wenn ihr nicht für Urbanroots arbeitet?
Colin: Als Landschaftsgärtner betreibe ich meine eigene Firma namens Krautkleid.
Und wenn ich nicht arbeite, dann reise ich am liebsten, mache Yoga und geniess einfach das Leben.

Scarlet: Ich bin selbstständige (Industrie-)Designerin und arbeite zurzeit vorwiegend im Bereich Webdesign und Social Media Management. Aber am liebsten realisiere
ich eigene Projekte wie Urbanroots. In meiner Freizeit singe ich in einem Chor und liebe es, Schwimmen zu gehen.



Was ist wichtiger: Roots (Wurzeln) oder Wings (Flügel)?
Scarlet & Colin: Wings! Ungeachtet unseres Namens ist es für uns wichtig, dass man stetig Neues lernt und sich weiterentwickelt.

Colin: Wandel ist auf jeden Fall ein Schlüssel zum Erfolg. Meinen zukünftigen Kindern würde ich mit Sicherheit Wings mit auf den Weg geben wollen.


Was unterscheidet Urbanroots von anderen Anbietern in diesem Segment?
Scarlet: Der Sharing-Gedanke. Urbanroots ist nicht bloss ein Online-Shop für Saatgut, sondern versteht sich als Community, in der man nicht nur dieselbe Leidenschaft teilt, sondern sich gegenseitig austauschen, beraten und unterstützen kann.

Colin: Ziel ist es, dass eine Art Online-Plattform entsteht, die sich stetig weiterentwickelt und zum Austausch unter Gleichgesinnten einlädt.



Was darf ich mir von einem Urbanroots-Abonnement erwarten?
Colin: Mit der monatlichen Lieferung von Urbanroots erhältst Du neben hochwertigem Saatgut eine gute Startbasis an Wissen und unkomplizierte Anleitungen. Auf Deinem Balkon wird es grün werden und Du wirst in kürzester Zeit etwas Essbares ernten können.

Scarlet: Die Freude am Urban Gardening soll an erster Stelle stehen. Es geht bei Urbanroots auch darum, Erfahrungen zu sammeln und um den Austausch. Du wirst natürlich durch das Urbanroots-Abo nicht Allein-Versorger werden, aber Du wirst die Freude erleben, etwas von dir Gepflanztes wachsen zu sehen.




Für wen ist Urbanroots?
Scarlet: Für Balkon- und Terrassengärtner/innen, die die Verbindung zur Natur und zum Ursprünglichen suchen sowie für jene, die Wert auf Nachhaltigkeit legen.

Colin: Urbanroots ist auch für Leute mit wenig Erfahrung geeignet, die Freude daran haben, ein Commitment einzugehen und sich ganzjährig der Pflanzenpflege hingeben möchten. Und natürlich für alle, die wenig Platz zum Gärtnern zur Verfügung haben, aber gerne immer ein bisschen Grün auf ihrem Balkon hätten.


In welche Richtung soll sich Urbanroots entwickeln? Gibt es etwas, dass ihr
unbedingt noch umsetzen wollt?

Scarlet: Als nächster Schritt sind Spezial-Boxen geplant, die besondere Sorten beinhalten wie beispielsweise Saatgut für den vorwiegend schattigen Balkon oder schwer erhältliche Liebhabersorten. Diese Urbanroots-Boxen wären dann saisonal erhältlich.

Colin: Den Online-Shop von Urbanroots auszubauen und um Angebote im Bereich der Planung und der Beratung zu erweitern. Vielleicht auch Workshops anzubieten.


Wie wär's mal mit...
Colin: ...einem Bier auf dem eigenen Balkon im Sonnenuntergang – nach getaner Arbeit inmitten der selbstgezogenen Pflänzchen?

Scarlet: ...und dazu frische Erbsen direkt aus der Hülse zu snacken?




Wir bedanken uns herzlich bei Scarlet und Colin für die fruchtbringenden Einblicke in die grüne Welt des Urban Gardenings.


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von Catherine Iselin
am 25.03.2019

Fotos
© Niels Franke für Wie wär's mal mit

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