Walfisch Studio: Im Gespräch mit dem Zürcher Grafiker Alex Schauwecker

Von Kyoto über Tokyo und Berlin nach Zürich: Wenn er nicht gerade im Wald oder auf dem Rollbrett ist, bringt Alex Schauwecker seine Eindrücke der Welt in den unterschiedlichsten Kunstformen zum Ausdruck: In Zeichnungen, Texten, Illustrationen oder in der Musik. Seit Kurzem gehen sie auch unter die Haut.


Hey, wer bist du und was machst du?
Mein Name ist Alex Schauwecker und bin Grafiker und Illustrator. 1982 bin ich in Kyoto (Japan) auf die Welt gekommen. Dort lebte ich bis ich sieben Jahre alt war und bin dann auf Umwegen in der Schweiz gelandet, genauer gesagt in Zürich.

Wie bist du eigentlich zur Kunst gekommen?
Ich glaube als ich klein war, war ich ziemlich introvertiert und konnte mich mit Wörtern nicht so richtig ausdrücken. Trotzdem hatte ich – wie jedes Kind wahrscheinlich – eine Art Mitteilungsbedürfnis. Bei mir äusserte sich dies im Zeichnen. Auch meine Fantasien konnte ich am besten im Malen von Bildern ausleben. Von da her kommt wahrscheinlich auch mein Interesse an visueller Gestaltung. Unterdessen kann ich sogar von meiner Kunst leben.



Welche Themen verarbeitest du in deiner Kunst?
Ein Künstler sagte mir einmal, dass wenn man die Werkkörper von Künstler*innen ansieht, dann werden einem immer wieder die gleichen Themen begegnen, die den Künstler sein Leben lang interessieren und die immer wieder von Neuem aufgenommen werden. Einerseits habe ich als Kind sehr viel Zeit in der Natur verbracht, andererseits habe ich gleichzeitig auch immer in grossen Städten gewohnt. Ich nehme mich ein bisschen wie ein wildes Tier wahr, dass in einer hochtechnischen Welt lebt; dadurch entstehen interessante Konflikte. Daher beschäftige ich mich in meiner Arbeit mit meinen eigenen Erfahrungen.

Wie bringst du persönliche Erlebnisse in deine Arbeit ein?
Ich habe ein Kinderbuch gemacht, darin habe ich sicher auch Erlebnisse aus meiner eigenen Kindheit verarbeitet. Oder mein Lied über einen Dinosaurier, der im Hier und Jetzt lebt und sich den Herausforderungen der Moderne stellen muss. Ich glaube, diese Perspektive nehme ich ein Stück weit auch selbst ein.


Welche Rolle spielt dabei der Walfisch?
Es gibt Tiere, wie eben Dinosaurier oder auch der Walfisch, die überhaupt nicht in die heutige Welt passen. Auch ich stehe oft ein wenig neben den Schuhen. Mit dem Walfisch kann ich mich besonders gut identifizieren, da in Japan die maritime Kultur eine wichtige Rolle spielt und er Teil von ihr ist. So fängt beispielsweise auch mein Kinderbuch damit an, dass ein Wal in einer Stadt strandet. Es ist auch einfach ein schönes Tier, so rund, fett und blau.

Wie würdest du deine Arbeit in drei Worten beschreiben?
Fröhlich, manchmal melancholisch? Selbsteinschätzung finde ich etwas Schwieriges. Viele Künstler*innen aber, die mir gefallen, sind vor allem auch ehrlich und einfach. Das sind schöne Ideale.



Welche Künstler*innen inspirieren?
Maurice Sendak (Where the Wild Things Are), Yoshitomo Nara, oder auch FRA. Andererseits inspirieren mich auch Musiker*innen, die Musik einzig um derer selbst Willen machen und nicht, um berühmt oder erfolgreich werden zu wollen. Solche Menschen machen für mich spannende Künstler*innen aus.

Siehst du dich selber auch als Künstler?
Nein. Ich sehe mich als Grafiker und Illustrator.

Warum bist du kein Künstler?
Weil es nicht mit dem übereinstimmt, was ich unter Künstlersein verstehe. In meinen Augen ist das eine Person, die ins Atelier geht und intrinsisch und authentisch motiviert Bilder malt.



An welchem Projekt arbeitest du zurzeit?
Ich habe mit einem zweiten Kinderbuch begonnen, aber das wird sich etwas hinziehen. Und dann wäre da noch die Idee eines Zines mit Schwarz-weiss-Bildern von einem Dinosaurier. Das passende Lied dazu gibt es ja bereits.

Welches war dein liebstes Projekt?
Ich mache gerne Alltags-Projekte wie Flyer, Logo- oder Buchgestaltung. Die Arbeit am Kinderbuch hat mir ebenfalls sehr gefallen, auch weil ich dadurch eine gewisse Verantwortung hatte. Aktuell aber tätowiere ich am liebsten.

Weshalb tätowierst du zurzeit gerne?
Es ist etwas, das man mit den Händen machen muss, etwas enorm Physisches, das mag ich. Vor einem Jahr habe ich angefangen, Freunde zu tätowieren. Die Begegnung mit der Person, die tätowiert wird und die dir ihr Vertrauen entgegenbringt, ist sehr nah. Zudem ist es sehr nachhaltig – nachhaltiger als tätowieren geht fast nicht.


Wenn du gleich jetzt etwas tätowieren könntest, was würde es sein?
Alles mögliche. Wichtig aber ist, dass der- oder diejenige, die sich tätowieren lässt, sich damit identifizieren kann.

Wenn nicht auf den Menschen, wo überall in Zürich begegnet man deinen Arbeiten?
Wenn man meine Kunst kennt, dann wird einem ab und zu etwas auf den Strassen, Wänden, Büchern oder auch Textilien auffallen. Oder im Internet. Für die Gemüsebauern «In der Hand» aus Zürich habe ich etwa das Logo und eine Tasche designt sowie ihr Gartenhäuschen bemalt.

Hast du einen Lieblingsort in der Stadt?
Ich verbringe viel Zeit in meinem Atelier in Zürich West oder in unserem Bandraum. Im Sommer geniesse ich die Zeit vor allem draussen beim Skaten, am Beast (Anm. d. R.: Skatebowl bei der Stadionbrache Hardturm) oder im Wasser.


Gibt es etwas, das dir an deiner Arbeit nicht gefällt?
Entwicklungspotenzial haben sicher meine buchhalterischen Fähigkeiten oder mein Geschäftssinn.

Und welchen Teil magst du besonders gerne?
Die Selbstständigkeit und die Freiheiten, die mit ihr kommen. Manchmal ist es aber schwierig, die Balance zwischen Freiheit und Sicherheit (zum Beispiel Geld) zu finden.

Welche Musik hörst du beim Arbeiten am liebsten?
Ein Lieblingslied gibt es so nicht. Ich habe mehr so einzelne Phasen, in der ich gewisse Interpreten besonders oft höre. In letzter Zeit waren es aber vermehrt Soundtracks. Ein besonders gutes Lied ist «High Sign» von Ponchi, dass er extra für einen Videopart des japanischen Skaters Gou Miyagi komponiert hat.



Wie wär’s mal mit…
...Mehr Sonnenschein in den Wintermonaten in Zürich?


Vielen lieben Dank, Alex, für das tolle Gespräch und die Einblicke in deine Welt.



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von Valérie Hug 
am 20.05.2019

Fotos
© Marcos Pérez für Wie wär's mal mit

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