Wiener Prater Geisterbahn: Im Gespräch mit Inhaber Pascal Steiner

Schausteller nennt man eine vielgestaltige Berufsgruppe von Personen, die Jahrmarkts- und Varieté-Attraktionen darbieten. Jedes Jahr an der Basler Herbstmesse kommen wir in den Genuss ihrer Darbietungen. Doch was sind dies eigentlich für Menschen, die jedes Jahr unter allen Wetterbedignungen bei ihren Attraktionen stehen? Wir trafen Pascal Steiner, den Inhaber der Wiener Prater Geisterbahn, an der Basler Herbstmesse zum Gespäch.


Lieber Pascal, erzähl uns kurz was zu dir. 
Ich bin Pascal Steiner und wohne zurzeit in Münchenstein, Baselland. Ich bin in Basel geboren und habe schon immer hier in der Umgebung gewohnt, auch mal in Allschwil. Ein Jahr lang wohnte ich mit meiner Freundin in einem Wohnwagen, zum Teil in der Schweiz auf gewissen Campingplätzen sowie im Schwarzwald.


Du bist Besitzer der Wiener Prater Geisterbahn. Wie kam es dazu?
Eher Eigentümer oder Inhaber, der Besitzer ist der, der sie gearde hat, also derjenige der dann an der Kasse sitzt. Frau Romagnoli holte die Bahn 1952 aus Steiermark in Österreich nach Basel. Von 1952 bis 1992 war die Bahn an jeder Herbstmesse. Wir haben sie 92 gekauft, mein Bruder Philippe und ich. Er wollte dies unbedingt und ich habe mitgeholfen. Wir haben sie gemeinsam restauriert. Da wir keine Halle hatten, um die Bahn zu restaurieren, mussten wir dies draussen machen, was aber eher schlecht bis garnicht ging. Mein Bruder gab daraufhin auf und überschrieb mir die Bahn. Er verstarb 2007.


Ich konnte dann im 2010 beim Calypso Inhaber und Freund Paul Läuppi in Aarau in die Halle. Dort haben wir die Geisterbahn mit seinem Team und mit weiteren Leuten restauriert. Paul Läuppi hat mir auch geholfen Plätze zu finden, um die Bahn wieder in Betrieb nehmen zu können. Zunächst waren wir 2012 in Baden, draussen. Ab 2013 konnten wir wieder hier in die 80s Messehalle in Basel – 80s Halle heisst sie, da hier seit den 80ern Attraktionen drinnen sind, einige Ältere sowie Neuere. Mir gefällt’s hier in der Halle und die Bahn ist vor Wettereinflüssen geschützt.



Wie gross ist das Team zurzeit?
Beim Auf- und Abbau sind es ungefähr 8 Leute. Im Betrieb vor Ort zwischen 3–4, die die Kasse machen und die Wägeli anstossen. Es sind auch auch Freunde darunter, die ich schon lange kenne und die auch bei anderen Bahnen mithelfen.


Und du selber bist auch vor Ort?
Seit diesem Jahr konnte ich alles soweit planen und organisieren, dass ich nicht immer vor Ort sein muss. Es ist fast wie früher und macht mir wieder viel mehr Freude. Der Betrieb läuft mittlerweile, ohne dass ich ständig anwesend sein muss. Jedoch bin ich nach wie vor gerne abends vor Ort.


Wie kommt man zu so einem Beruf?
Ich war schon als Kind von der Schaustellerei begeistert. Das habe ich von meinem Bruder. Er half damals schon als 17-jähriger Junge in den 70ern bei einer Geisterbahn mit. Als Inhaberin Frau Romagnoli im 1983 verstarb, übernahm zunächst ihr Lebenspartner die Bahn. Er wollte die Bahn später jedoch altersbedingt verkaufen, woraufhin wir sie dann 1992 übernahmen.



Was hast du davor gemacht?
Ich habe eine Banklehre abgeschlossen und mich dann im Betrieb zum Programmierer umgeschult. So Organisatorisches passt dann schon auch ganz gut.


Wiener Prater Geisterbahn – weshalb der Name?
Die Bahn heisst seit immer schon so. Es ist möglich, dass sie in Wien stand, aber man weiss es nicht sicher.


Deine Lieblingserinnerung in all der Zeit als Geisterbahnbetreiber?
Die Herbstmesse war immer mein Höhepunkt im Jahr. Als ich dann aber mit der Bahn eher Stress hatte, war die Freude auch nicht mehr so gross. Ich war beinahe immer da. Mittlerweile ist es entspannter, fast so wie früher, da ich nicht stets vor Ort sein muss. Ich mag die Atmosphäre auf dem Chilbiplatz.

Wie definierst du Geister?
Für mich sind sie in der Wirklichkeit vorhanden. Sie sind immer hier.


Was löst bei den Besuchern Angst aus? 
Ich denke vor allem die Dunkelheit. Viele neuere Bahnen sind zu hell. Die Wiener Prater Geisterbahn ist sehr dunkel, man weiss nicht vorher, was kommt. Manche Kinder setzen sich in den Wagen, bekommen Angst und steigen sofort wieder aus. Sie bekommen dann ihre Chips zurück. Man sollte niemanden auf die Bahn zwingen, der Angst hat. Die meisten Besucher kommen aber freudig wieder aus der Bahn.


Und wovor hast du Angst?
Dunkelheit. Mittlerweile nicht mehr so sehr, ich konnte viele Ängste in meinem Leben abbauen. Ich hatte als Kind auch Angst vor der Bahn, da sie so dunkel ist. 


Welche Gestalten im Inneren der Bahn sind deine Lieblingsfiguren?
Ich mag diejenige Figur die auf der Schiene liegt. Sie erweckt den Eindruck, als würde man sie überfahren. Es ist ein von Hand geschnitzter uralter Frauenkopf. Es hat noch weitere sehr alte Figuren. Eine weitere ist gerade bei der ersten Kurve, es ist ein alter geschnitzter Kopf. Er trägt heute eine Maske und stellt einen Geist dar. Darunter ist aber ein Ureinwohner, da die Bahn früher als Djungelbahn lief. Es hat auch auf der Fassade noch Gestalten aus dem Djungel, wie beispielsweise die Schlange. 


Was ist das besondere an der Geschichte der Bahn?
Wir wollten die Fassade originalgetreu beibehalten und haben sie lediglich restauriert. Die Figuren darauf, sind immernoch dieselben, eben auch Djungelfiguren von ganz früher. Wir haben auch Figuren von der Fassade neu in die Bahn mit eingebaut. Außerdem läuft die Bahn auf 100m Schienen, die mit einem uralten Stromwägeli betrieben werden. Das Stromwägeli haben mein Bruder und ich ebenfalls original beibehalten und restauriert. 



Es hat scheinbar einen echten Totenkopf in der Bahn?
Ja, dieser liegt in einem Sarg. Es ist ein Frauenkopft, aber mehr weiss man über den Schädel nicht. Die Mama eines Mitarbeiters arbeitete früher einmal in einer Arztpraxis, wo ein Skelett stand. Sie durfte den Kopf mitnehmen und jetzt ist er Teil der Wiener Prater Geisterbahn.


Es gäbe also noch Figuren von der Fassade, die mit der Zeit auch in der Bahn auftauchen könnten?
Ja, zum Beispiel haben wir gerade die Fassadenfigur unten beim Ausgang, im zweiten Stock auf dem Balkon als tatsächliche Figur in der Bahn mitaufgenommen. Ein Basler Künstler hat diese angefertigt. Zurzeit sind ungefähr 13 Figuren drinnen.


Und der Spiegel?
Darin sieht man die wahren Geister.

Wo in Basel bist du am liebsten, wenn du nicht gerade an der Herbstmesse bist?
Ich bin mittlerweile lieber auf dem Land als in der Stadt. Aber früher waren wir oft hier im Restaurant Zum Wurzengraber, das hat jedoch zu gemacht. Mittlerweile sind die Besitzer beim Restaurant Bläsitörli an der Klybeckstrasse, da sind wir dann hin und wieder gerne. Es ist gleich gegenüber von der Kaserne Basel, neben dem Basilisk Hotel. Es sind immernoch die gleichen Leute da wie früher, auch die Kellner sind die gleichen. Man kennt einander.


Lieblingsbahnen sonst an der Herbstmesse und weshalb?
Calypso und der Skilift, sie sind beide aus den 60er Jahren, noch aus meiner Kindheit. Swing Up aus den 70ern ist ebenfalls eine ganz tolle Bahn. Diese Bahnen waren schon immer an der Herbstmesse. Ich denke die älteste Bahn ist jedoch das Rössli Karussel auf der Rosentalanlage, diese muss so um die 100 Jahre alt sein.

Wie wär’s mal mit…
...echten Geistern?



Vielen Dank an Pascal Steiner für die spannende Geschichte zur Wiener Prater Geisterbahn und einem tollen Einblick in sein Leben voller Veränderungen.


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von Ana Brankovic
am 05.11.2018

Fotos
© Patricia Grabowicz für Wie wär's mal mit 
© Wiener Prater Geisterbahn Archiv

Wer die Bilder weiterverwenden möchte, muss sich die Rechte bei Wie wär’s mal mit oder Wiener Prater Geisterbahn einholen.


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