Frauenboxteam Basel: Im Gespräch mit Linda Briem

Im Basler St. Johann Quartier geht so einiges. Es verwundert deshalb auch nicht, dass an der Mülhauserstrasse 48 hinter den Türen spannende Menschen in den Boxring steigen und regelmässig trainieren. Wir sprachen mit Linda Briem vom Frauenboxteam Basel, die sich früher überhaupt nicht für den Boxsport interessierte, sich nun aber seit 17 Jahren mit diesem beschäftigt und uns im Interview verrät, ob sie sich das Schnitzel eher auf ihr blaues Auge drückt oder es dann doch lieber in einem leckeren Basler Restaurant selbst verdrückt.


Liebe Linda, wer bist du und was machst du so?
Ich bin Linda Briem aus Basel, wenn ich nicht boxe, kümmere ich mich um briembriem, schreibe, lese, koche und erzähle Witze. Ich habe einen Master der Uni Zürich in Publizistik und arbeite für die Fondation Beyeler.


Frauenboxteam Basel – wie kam das Ganze zu Stande?
Die Idee, ein eigenes Boxclublokal zu eröffnen, entstand, nachdem ich mich gemeinsam mit acht Kolleginnen – allesamt aktive oder ehemalige Wettkampfboxerinnen – vor rund zwei Jahren dazu entschieden habe, selbstständig zu werden und den Verein Frauenboxteam Basel zu gründen. Bis wir Neun unser eigenes Lokal gefunden hatten, kamen wir bei anderen Boxclubs wie z.B. dem Boxring Basel unter, trainierten in Parks und Parkhäusern. Heute können wir im eigenen Boxclub Wettkampftrainings nach unseren eigenen Vorstellungen gestalten sowie Fitnessboxtrainings- und Fitnesskickboxtrainings für jedermann/-frau anbieten.



Warum tut man sich eine so anstrengende Sportart an?
Auf den ersten Blick hat dieser Sport vermutlich viel mit Schmerzen und Prügelei zu tun. Wenn man den Sport jedoch selbst erlernt und ausübt, stellt man sehr schnell fest, wie schwierig er ist, wie komplex seine Technik und darüber hinaus, wie anspruchsvoll er auch auf der mentalen Ebene ist. Es ist ein Sport der nach vielen Regeln abläuft und viel an Technik verlangt. Wenn man an dem Punkt gelangt, an welchem man tatsächlich in den Ring steigen und sich messen kann, bzw. sich dem Kampf stellt, hat man in der Regel einen langen Weg hinter sich und auch noch weiterhin vor sich. Es braucht sehr viel Mut, viel Verstand, ein Kämpferherz, Disziplin, Ausdauer und Kraft auf allen Ebenen. Das ist mir das eine oder andere blaue Augen wert.



Welche Rolle spielt das Boxen heute in deinem Leben?
Das Boxen begleitet mich seit ungefähr 17 Jahren. Ursprünglich habe ich nur eine Freundin zum Boxtraining begleitet. Die Kampfsportwelt hat mich nicht im Geringsten interessiert. Aber ich bin beim Boxen geblieben – heute steige ich nur noch im Training in den Ring. Der Sport fordert mich aber nach wie vor heraus und bietet mir eine Auseinandersetzung mit meinem Körper, meinem Geist und meinen Ängsten. Selbst zu Boxen, andere zu trainieren und mit meinen Clubfreundinnen Sparring zu machen – dies alles sind feste Konstanten in meinem Leben geworden, die ich nicht mehr missen möchte.


Warum braucht Basel einen eigenen Frauenboxclub?
Dass wir so viele Frauen in der Clubleitung sind, hat sich daraus ergeben, dass wir uns damals im Wettkampfteam des Boxclub Basel getroffen hatten und nun seit vielen Jahren diesen Sport zusammen betreiben. Aber bei uns trainieren mittlerweile auch Männer, wir trainieren Männer und wir trainieren mit ihnen zusammen, weil wir alle dieselbe Leidenschaft teilen. Vielleicht traut sich aber eine Frau, die sich fürs Boxen interessiert, eher in ein Training, in welchem viele Frauen trainieren. Als Boxerinnen, die diesen Sport im Wettkampfbereich erfolgreich ausüben und mit sehr grossem Engagement einen eigenen Club betreiben, können wir bestimmt auch Vorbilder sein und anderen Frauen – aber auch Männern zeigen – dass vieles möglich ist, oder auch, dass Engagement und Kompetenz bei uns genderunabhängig sind.


Wenn „Eye of the Tiger” von Survivor der Song der Boxer ist, welcher Song wäre derjenige der Boxerinnen?
Den geben wir den Männern nicht, sorry Jungs! Sie können ja „Burning Heart“ aus Rocky nehmen oder das mit uns im Ring ausdiskutieren, dann können wir „Blood on the Dance Floor“ zu „Blood on the Gymfloor“ remixen.




Was habt ihr Boxerinnen euren männlichen Sportskollegen voraus und was könnt ihr euch noch von ihnen abgucken?
Grundsätzlich gelten die gleichen Regeln und das Training erfolgt in der gleichen Intensität. Ich persönlich habe aber schon oft beobachtet, dass sich Frauen tendenziell mehr hinterfragen, selbstkritischer sind und dadurch manchmal vielleicht auch unsicherer. Männer gehen oft selbstsicherer an das Ganze ran, überlegen weniger. Im Gegenzug höre ich von männlichen Trainern oft, dass Frauen härter an sich arbeiten und ein sehr hohes Mass an Disziplin mitbringen. Es ist wahrscheinlich für jede/n Boxer/in wichtig, dass Selbstzweifel einfach zur Seite geschoben werden können und man sich für einen nächsten Entwicklungsschritt nicht entmutigen lässt, sondern einfach weitermacht.



Was darf man erwarten, wenn man zu euch ins Training kommt, was nicht?
Man kann alles erwarten, was ein gutes Boxtraining in der Regel beinhaltet. Wir nehmen uns für unsere Kursteilnehmer viel Zeit. Jedes Niveau kann bei uns ausprobiert werden. Was man nicht erwarten darf: dass man ohne Erfahrung die Handschuhe anziehen darf und sich gleich mit anderen kloppen kann. Davor muss einiges gelernt werden. Aber wer sich das wünscht, ist bei uns ebenfalls gut beraten. Wir bieten keine Kurse, bei denen man zu knackiger Hitparaden-Musik mit falsch bandagierten Händen und krummen Fäusten im Takt in die Luft „böxelt“. Dazu fehlt uns schlicht das Know-how.


Das Boxteam Basel ist ein Ort für...
...fürs Boxen, den ganzen anderen Kram kann man für eineinhalb Stunden einfach draussen lassen, auf dem Schuhregal deponieren und drinnen den Kopf mal anders dampfen lassen.



Wenn du deinen Boxstil beschreiben müsstest, du aber nur Adjektive benützen dürftest, die auch dein Lieblingsessen beschreiben können, wie wäre er?
Man sagt mir nach, ich sei boxerisch eher schwierig zu deuten, da meine Reaktionen nicht vorhersehbar seien. Deshalb kann ich beim besten Willen keine Parallele zu meinem Lieblingsessen ziehen. Aber gutes Essen muss für mich frisch, unkompliziert, herzhaft, raffiniert und dabei leidenschaftlich zubereitet sein.


Welches ist deiner Meinung nach die wichtigste Entwicklung im Frauenboxsport – im Vergleich von damals zu heute.
Man ist nicht mehr alleine oder zu zweit in einer Gewichtsklasse im ganzen Land, sondern es gibt immer mehr Frauen, die in den Ring steigen und auf immer höherem Niveau boxen. Das bedeutet unter anderem auch, dass es immer mehr Frauen gibt oder geben wird, die irgendwann auch Wettkampftrainerinnen werden und ihr Wissen vermitteln.


Welche Frage möchtest du als Boxerin nicht mehr hören und warum nicht?
„Findest du das gut, so als Frau? Was ist, wenn du danach verunstaltet aussiehst?“
Wie traurig wäre dieses Argument, wenn es die Auswahl sämtlicher Beschäftigungen im Leben eines Menschen lenken würde? Diese Frage impliziert alles, was die Gesellschaft vordergründig vom Frausein erwartet, aber beim besten Willen nirgends mehr greift. Schön sein, vorsichtig sein, beherrscht sein, lieblich sein, nett sein. Oder anders ausgedrückt: Hält man sich an diese Klischees, muss man einfach zuhause bleiben, sich um seine Fingernägel kümmern oder sich über seine Augenbrauen definieren. Wir schlagen lieber auf den Boxsack, steigen in den Ring, haben Spass und danach gehen wir duschen und malen uns vielleicht die Fingernägel an.



Findest du das gut, so als Frau? Was ist, wenn du danach verunstaltet aussiehst?
(Lacht) Ich erinnere ich mich an eine Sitzung mit meinem ehemaligen Arbeitgeber. Ich hatte mir ein heftiges blaues Auge eingefangen. Mein damaliger Vorgesetzter sah mich nur an und sagte: „Linda, du musst an deiner Deckung arbeiten.“ Danach war das Thema erledigt. So sollte es sein. Im Zweifelsfall empfehle ich aber „Double Wear, Maximum Cover Make up“ von Estée Lauder.


Wenn du nicht gerade im Boxteam Basel trainierst, wo in Basel trifft man dich?
Momentan auf allen Strassen in meinem 79er Camaro Berlinetta, den ich mir kürzlich gekauft habe. Ansonsten freue ich mich wahnsinnig auf die Saison rund um den Rhein und insbesondere auf den Hafen – ich kann es kaum erwarten, dort den ersten kühlen Drink in der Sonne bei der Marina oder an der Landestelle zu trinken und nach den Trainings gehe ich sehr gerne im Musical Grill einen Lammteller, im Goldenen Fass eine Frikadelle oder im Trio ein Schnitzel essen. Nachts trifft man mich im Club meistens so nah wie möglich an den Boxen. Tagsüber ziehe ich mich aber auch gerne in mein Atelier zurück, wo ich an Wörtern und Bildern ‘rumwerkle.


Boxhandschuh aufs Herz: Mit welcher bekannten Persönlichkeit aus Basel würdest du gerne mal in den Ring steigen, bzw. ihm/ihr eine auf die Zwölf verpassen und warum?
Oh, da gäbe es einige Leute! Besonders aus der Politik, deren Einstellung gegenüber ihren Mitmenschen bringt mich oft zur Weissglut. Aber was wäre ich für ein Vorbild, bzw. was für eine Boxerin, wenn ich meine sportlich antrainierte Schlagtechnik bei einem Schlagabtausch als Argument gegen Ignoranz einsetzen würde? Was natürlich nicht heisst, dass es Situationen gibt, in denen dieser Gedanke nicht trotzdem äusserst verlockend ist.

Wie wärs mal mit...
...einfach mal zum Training im Boxclub vorbeikommen? Ohne Anmeldung.



Wir danken Linda für das schlagfertige Interview und dem Frauenboxclub Basel für die spannende Einsicht in ein starkes, poweriges Basel.


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von Catherine Iselin
am 08.05.2017

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Ana Brankovic

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